Als eine Synagoge in Orsenhausen stand
Im 16. Jahrhundert nahmen Reichsritter Juden in Dörfern auf aus den Heimatkundlichen Blättern für den Kreis
Biberach (BC-Hefte), 44. Jg., Heft 2, November 2021, S. 20-25. |
von Volker Strähle Nachdem die Juden um 1500 aus den
Städten vertrieben worden waren, bildeten sich im Schutze kleiner
Herrschaften jüdische Gemeinden. In Orsenhausen (Gemeinde Schwendi) war
im 16. und 17. Jahrhundert zeitweise ein Viertel der Einwohnerschaft
jüdisch. Das frühere „Judengässle“ existiert bis heute, auch der
wahrscheinliche Standort von Synagoge und Friedhof konnte geklärt
werden. 1429/30 begann mit den Ritualmordvorwürfen
in Ravensburg die Vertreibung der Juden aus den Städten Schwabens.[1]
Als die Ulmer Juden 1499 vertrieben wurden, endete die kulturelle
Blütezeit des städtischen jüdischen Lebens. Allerdings kam es bereits um
1520 zu einer Wiederbelebung des Judentums in Schwaben – nun allerdings
in den Dörfern.
Die Schirmherrschaft über Juden, ursprünglich
vom Kaiser, dann von Reichsstädten ausgeübt, übernahmen fortan kleine
Adelige. Insbesondere Reichsritter holten Juden in
ihre Dörfer, um über die Steuern, Zölle und Abgaben ihre Finanzen
aufzubessern. Damit unterstrich der niedere Adel auf dem Land nebenbei
seine reichsunmittelbare Stellung – schließlich war die Aufnahme von
Juden traditionell ein Privileg des Kaisers. Für die Juden hatte die
Ansiedlung beim niedrigen Adel einen Vorteil: Sie wurden weniger stark
kontrolliert. Allerdings waren sie weiterhin von Ausweisung bedroht,
wenn ihr auf wenige Jahre angelegter Schutzstatus endete. Auch im heutigen Landkreis Biberach
siedelten sich im 16. Jahrhundert Juden an. Meist waren es nur einzelne
Personen und Familien, die zeitweise an einem Ort geduldet wurden. Nur
an wenigen Orten etablierten sich größere jüdische Gemeinschaften, die
länger existierten: In Buchau, wo erstmals 1382 Juden erwähnt worden
waren, gab es nachweislich 1577 eine jüdische Gemeinde, die bis zu ihrer
Auslöschung im Nationalsozialismus existierte.[2]
In Mittelbiberach lebte von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur
Ausweisung 1672 eine größere Zahl von Juden.[3]
Wenig bekannt ist, dass auch in Orsenhausen eine bedeutende jüdische
Gemeinde bestanden hat.[4]
Gemeinde besteht mindestens 150 Jahre
Wann die ersten Juden nach Orsenhausen
kamen, ist unklar. Die Herren von Roth, die das Dorf seit 1436 in ihrem
Besitz hatten und der Reichsritterschaft angehörten, nahmen vermutlich
in den 1510er oder 1520er Jahren die ersten Juden in Orsenhausen auf,
wie sie es auch in Ichenhausen taten. In einem Prozess vor einem
Reichsgericht gaben die jüdischen Kläger im Jahr 1550 an, dass ihre
Familien seit 40 Jahren in Orsenhausen lebten.[5]
Der älteste schriftliche Beleg stammt aus dem Biberacher Spitalarchiv:
1527 ließ sich der Orsenhausener Jude Jakob die Schulden eines
Ingerkinger Bürgers bescheinigen.[6]
Die in der älteren Literatur[7]
genannte erste urkundliche Erwähnung eines Orsenhausener Juden im Jahr
1435 beruht auf einem tradierten Lese- oder Druckfehler: Das betreffende
Dokument, das bereits einen Jakob Jud von Orsenhausen nennt, muss 100
Jahre später entstanden sein.[8] Seit den 1530er Jahren gab es offenbar
eine kontinuierliche jüdische Ansiedlung in Orsenhausen, die jeweils
zwischen 10 und 15 Familien umfasste.
Damit war rund ein Viertel der
Bevölkerung jüdisch: 1606/07 lebten in Orsenhausen 45 christliche
Familien, dazu sieben „geheusete“
(ohne eigenen Hausstand). Dem standen 15 jüdische Haushalte gegenüber.[9]
Allerdings gab es stets eine hohe
Mobilität unter der jüdischen Bevölkerung: Auch wenn einzelne Familien
jahrzehntelang in Orsenhausen ansässig waren, lebten viele Juden nur für
wenige Jahre in dem Ort.
Schutzbrief schreibt Abgaben individuell
fest
Der Schutzbrief von 1534 ist überliefert,
welcher die Rechte und Pflichten der Orsenhausener Juden festschrieb.
Georg von Roth stellte den Schutzbrief zunächst für neun namentlich
genannte Juden samt deren Familien und Bedienstete aus, die sich alle
neu angesiedelt hatten.[10]
Sie bekamen die gleichen Rechte und Vorgaben wie für die bereits in
Orsenhausen ansässigen Juden. Die Juden erhielten „Schutz“ und damit ein
Niederlassungsrecht für sechs Jahre „und
nit lenger“. Sie mussten geloben, den
Angehörigen der Ortsherrschaft Gehorsam zu leisten und keine fremden
Gerichte anzurufen. Der Vertrag regelte insbesondere die zu
leistenden Abgaben, die – je nach Besitz und Vermögen – individuell
festgeschrieben wurden.
1539 wurde das Vertragsverhältnis um weitere
sechs Jahre verlängert. Auch Frauen wurde das Niederlassungsrecht
gewährt, etwa wenn sie Witwen waren.[11]
Im Schutzbrief von 1534 werden Jüdinnen erwähnt, die offenbar
selbstständig im Kredithandel tätig waren. Wie lange Juden
in Orsenhausen lebten, lässt sich schwer sagen.
Im Biberacher Kreisarchiv sind Orsenhausener Steuer-Listen aus dem 17.
Jahrhundert überliefert, die erstmals ausgewertet wurden.[12]
Demnach gab es noch 1651 eine ansehnliche jüdische Gemeinde im Ort, zehn
jüdische Namen werden genannt.[13]
Im Taufbuch ist noch
1673 die
Taufe eines jüdischen
Abraham auf die Taufnamen Johannes Augustin überliefert.[14]
Es ist also von einer mindestens 150 Jahre andauernden jüdischen Präsenz
in Orsenhausen auszugehen.
Beengte Wohnverhältnisse im
„Judengässle“
Die Orsenhausener Juden lebten vorwiegend
im „Judengässle“, dem westlichen Teil der heutigen Weiherstraße, der
außerhalb des damaligen Ortskerns lag. Damals führte das „Judengässle“
zu einem großen Weiher, der im 19. Jahrhundert trockengelegt wurde. Die
jüdischen Familien und Einzelpersonen wohnten teilweise in Häusern, die
der Ortsherrschaft gehörten, teilweise hatten sie Häuser gekauft oder
selbst gebaut.
Wie aus dem Schutzvertrag von 1534
hervorgeht, sollten die Häuser bei dem Abzug der Juden dem Ortsherren
zufallen. Im Schutzvertrag war festgeschrieben, dass sie ihre Häuser gut
erhalten müssten. In einem Haus lebten jeweils mehrere
Parteien, die Wohnverhältnisse müssen recht beengt gewesen sein. In
einem der Ortsherrschaft gehörenden Haus wohnten beispielsweise vier
Parteien.
Die Juden lebten keineswegs isoliert von den
christlichen Dorfbewohnern, zum Teil waren sie Nachbarn: So lag das Haus
des Juden Wolf zwischen dem Haus des Juden Isaak und des Christen Hans
Heniglin.[15] Orsenhausen war mit seinen kulturellen und
religiösen Einrichtungen ein wichtiger Ort des Landjudentums in
Schwaben: Die Synagoge wurde erstmals 1550 erwähnt, bestand aber schon
früher.[16]
Die Erinnerung an deren Standort ist bis ins 20. Jahrhundert offenbar
mündlich weitergegeben worden: Sie befand sich demnach auf dem heutigen
Grundstück Weiherstraße 12.[17]
Dabei handelte sich wahrscheinlich um ein unscheinbares Gebäude mit
Betsaal. Offenbar lebte in Orsenhausen auch ein Lehrer oder Rabbiner,
der eine gewisse Anziehungskraft besaß:
1544 berichtete der 14-jährige Abraham aus
dem fränkischen Wiesenbrunn, dass er ein Jahr in Orsenhausen gewesen sei
und hätte „allda gelernnt jüdisch ler“.
[18]
Bereits 1539 wurde ein jüdisches
Tanzhaus erwähnt, das für Feierlichkeiten genutzt wurde.[19] Auch ein jüdischer Friedhof war außerhalb
des Dorfes angelegt worden. Der Standort befand sich am Waldrand, an der
Gabelung zweier Wege, der Flurnamen „Judengräber“ verweist bis heute
darauf.[20]
Ältere Orsenhausener können die Lage der einstigen „Judengräber“ bis
heute genau bestimmen.[21]
Überreste, etwa von Grabsteinen, dürften im Waldboden keine mehr
vorhanden sein, da im 16./17. Jahrhundert Holzschilder zur Markierung
der Gräber üblich waren.
Die meisten Juden sind arm – es gibt
aber Ausnahmen
Wie aus den
vermerkten Steuerzahlungen hervorgeht, waren die Orsenhausener Juden
Anfang des 17.
Jahrhunderts vergleichsweise arm.[22]
Allerdings mussten die Juden höhere Steuersätze zahlen als die
christlichen Dorfbewohner: Während die Christen 0,66 Prozent ihres
Vermögens bezahlen mussten, waren es bei den Juden drei Prozent. Die meisten Orsenhausener Juden lebten
wohl von der Geld- und Pfandleihe, was ihnen immer wieder den Vorwurf
einbrachte, „Wucher“ zu betreiben und sich auf Kosten der Christen zu
bereichern. Weil jüdische Händler Waren auch auf Kredit verkauften,
wurde ihnen unterstellt, auf diese Weise die Verschuldung der
Bevölkerung zu befördern.
Die Orsenhausener Schutzverträge
untersagten ihnen Geschäfte mit den christlichen Bewohnern des Dorfes.
Auch die benachbarten
Ortsherrschaften versuchten, Geschäfte der Juden zu unterbinden: 1652
wurden die Wainer Untertanen ermahnt, sich des „Kontrahierens und
Handelns“ mit Juden zu enthalten.[23]
Ihre Kunden fanden die jüdischen
Geschäftsleute in der näheren Umgebung, oft in den benachbarten
oberschwäbischen Adelsherrschaften und Klöstern, aber auch in den
Reichsstädten Ulm und Biberach.[24]
Auch jüdische Frauen traten mitunter als Geschäftsleute auf, wie aus
Gerichtsunterlagen hervorgeht: So prozessierte im Jahr 1568 Sarah aus
Orsenhausen, Witwe eines Abraham, vor dem Landgericht Schwaben gegen
Graf Ulrich von Montfort. Zeitweise lebten in Orsenhausen einzelne
Juden, die in größerem Umfang Geschäfte machten und über ein größeres
Vermögen verfügten. Dazu gehörten Berlin und Mayer von Orsenhausen, die
bereits um 1575 ihren Klienten größere Kredite gewährten[25]
und jahrzehntelang hohe Abgaben zahlten.[26]
Mitte des 17. Jahrhunderts lebten keine vermögenden Juden mehr in
Orsenhausen.
Ortsherren wollen Juden 1550 ausweisen
Einen Einschnitt für das jüdische Leben in Orsenhausen bedeutete 1546 die Besetzung der Gegend durch Truppen des Schmalkaldischen Bundes. Die Juden wurden von den Truppen aus dem Ort vertrieben, einige wurden sogar gefangen genommen.[27] Im Folgejahr konnten die Vertriebenen mit Erlaubnis der Ortsherren zurückkehren, doch sollte ihre Duldung nicht mehr lange dauern. 1550 verfügten die Ortsherren die Ausweisung der Juden.[28] Während sich die Herren von Roth auf den ausgelaufenen Schutzvertrag beriefen, sahen die zehn Kläger, die als „gemeine Jüdischheit zu Orsenhausen“ vor das Reichskammergericht in Speyer zogen, ihre kaiserlichen Rechte verletzt. Die Ausweisung wurde von dem Gericht mithilfe eines Mandats zunächst gestoppt, für die Dauer des Verfahrens konnten die Juden also in Orsenhausen bleiben. Der Prozess zog sich über vier Jahre hin. Die Orsenhausener Juden, vertreten durch einen Anwalt, wehrten sich unter anderem gegen den Vorwurf, sich „ungebührlich“ verhalten zu haben, was eine Ausweisung rechtfertigen konnte, sowie ihre Häuser in einen schlechten Zustand gebracht zu haben. Am 20. April 1554 hob das Reichskammergericht das Mandat der Juden schließlich auf und erklärte ihre Ausweisung für zulässig. Allerdings kam es in der Folge zumindest nicht zu einer vollständigen Ausweisung. 1556 waren bei einer Privilegienverkündung des Klosters Weingarten im Orsenhausener Tanzhaus mindestens fünf Orsenhausener Juden anwesend, darunter auch zwei ehemalige Kläger.[29] Es ist allerdings möglich, dass einige Juden Orsenhausen zeitweilig verlassen mussten: So war der Kläger Berlin, einer der vermögendsten Juden des Dorfes, 1555 in Wasserburg und anschließend in Obersulmetingen ansässig, ehe er nach Orsenhausen zurückkehrte.[30] Aaron stirbt im Kerker an den
Misshandlungen
Die überlieferten Quellen zu den
Orsenhausener Juden geben zu einem großen Teil Auskunft über
Rechtsstreitigkeiten und Prozesse. Ein besonders drastischer Fall ist
dabei der Gerichtsprozess gegen den Juden Aaron von Orsenhausen, der im
Laufe des Verfahrens brutal gefoltert wurde und deshalb starb. Der
Ablauf des Prozesses verdeutlicht auch die andauernde Wirkmächtigkeit
des christlichen Antijudaismus in der frühen Neuzeit.[31] 1583 wurden Anton Fugger zu Kirchberg und
Weißenhorn zwei Verbrecher zur Aburteilung übergeben. Diese sagten aus,
sie hätten zwei Jahre zuvor in der Kirche von Ummendorf drei Kelche,
eine Monstranz sowie die Hostien aus dem Allerheiligsten gestohlen und
das Kirchengut für acht Gulden an den Juden Aaron von Orsenhausen
verkauft.[32] Aaron wurde zunächst von Wilhelm von Roth
festgenommen. Wochenlang lag er im Orsenhausener Wirtshaus in Ketten,
ehe ihn der Ortsherr an Anton Fugger auslieferte.[33]
Im Schloss von Brandenburg an der Iller (Regglisweiler) machte ihm
Fugger daraufhin den Prozess. Aaron wurde den beiden Dieben
gegenübergestellt. Diese behaupteten, Aaron habe bei der Übergabe des
Kirchenguts die Hostien „mit einander
ein Suppen, Käß und brot geessen“,
nachdem er sie vorher „mit den henden
zerbrochen und mit seinem Messer zerstochen“
habe.[34]
Damit warfen sie ihm Hostienschändung vor – ein jahrhundertealtes
antijüdisches Stereotyp. Außerdem legten die beiden Diebe nahe, Aaron
habe Ritualmorde an jüdischen Kindern vorbereitet. Sie behaupteten,
Aaron habe von der Gefährtin eines Mitgesellen zwei christliche Knaben
gekauft und im Folgejahr noch einen Knaben. Aaron wehrte sich gegen die Vorwürfe, er schrie
unter Folter und beschimpfte die beiden Diebe. Fugger zwang ihn
daraufhin, eine Kreuzesreliquie zu küssen. Schließlich bestätigte der
schwer misshandelte Aaron zumindest den Kauf des Kirchengutes. Die beiden Diebe ließ Fugger in
Brandenburg hinrichten. Aaron saß weiter im Kerker fest, während eine
Vertretung der „gemeinen
Judenschaft der Markgrafschaft Burgau und Landvogtei Schwaben“
vor Reichsinstanzen um seine Freilassung kämpfte. Fuggers Vorgehen, so
ihr Vorwurf, sei aus Neid, Hass und Missgunst gegen Juden erfolgt.[35]
Ihr Einsatz war jedoch vergebens: Aaron starb noch vor einem
Urteilsspruch an den Folgen der Misshandlungen. Sein Körper, heißt es in
einem Bericht Anton Fuggers an die oberösterreichische Regierung, sei „voller
boser Geschwure“ gewesen.[36]
Aaron wurde - einem verurteiltem Verbrecher gleich - auf dem Richtplatz
von Brandenburg begraben.
[1]
Vgl. Lang, Stefan: Ausgrenzung und Koexistenz. Judenpolitik und
jüdisches Leben in Württemberg und im „Land zu Schwaben“
(1492-1650), Ostfildern 2008, S. 356
[2]
Vgl. Mayenburger, Charlotte: Juden in Buchau, Bad Buchau 2008,
S. 13
[3]
Vgl. Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer
Geschichte in Baden-Württemberg, Stuttgart 1988, S. 130
[4]
Dies gilt für die lokale Geschichtsschreibung und die regionale
Erinnerungskultur. Mittlerweile ist die archivalische
Überlieferung zu den Juden in Orsenhausen jedoch gut erforscht.
Lang hat in seiner Dissertation Orsenhausen als eines von fünf
Beispielterritorien behandelt. Vgl. Lang, S. 344-355
[5]
Vgl. Frey, Sabine: Rechtsschutz der Juden gegen Ausweisungen im
16. Jahrhundert. Frankfurt a. M.1983, S. 53f.
[6]
Vgl. Braunn, Wilfried: Quellen zur Geschichte der Juden bis zum
Jahr 1600 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv
Ludwigsburg, Stuttgart 1982, U 1677, S. 268
[7]
Vgl. Hahn, S. 130 sowie die Angabe in:
Der Landkreis Biberach, Band II. Gemeindebeschreibungen Ertingen
bis Warthausen und Register, hrsg. von der Landesarchivdirektion
Baden-Württemberg, Sigmaringen 1990, S. 732
[8]
Vgl. Lang, S. 344
[9]
Vgl. ders., S. 349
[10]
Der Vertrag ist als Umschrift vollständig abgedruckt bei Frey,
S. 156f., eine inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen
Paragraphen findet sich bei Lang, S. 345f.
[11]
Vgl. Karl-Heinz Burmeister: Medinat Bodase. Zur Geschichte der
Juden am Bodensee, Bd. 3 (1450-1618), Konstanz 2001, S. 157
[12]
KA BC, Archiv Hornstein, Bü 632, 714
[13]
Steuer-Liste von 1651, KA BC, Archiv Hornstein, Bü 714, o.P.
[14]
Taufbuch der Pfarrei Orsenhausen [1673], Diözesanarchiv
Rottenburg, M 22, Bd. 2, Bl. 4v
[15]
Vgl. Lang, S. 346
[16]
Vgl. Frey, S. 53f.
[17]
Die Synagoge soll auf dem Grundstück des „Hauses Nießer“
gestanden haben, was der Weiherstraße 12 entspricht. Vgl.
Heizmann, Wolfram: Ortschronik von Orsenhausen
[unveröffentlichtes Manuskript] 1957, Kreisarchiv Biberach, S.
20
[18]
Vgl. KA BC, Archiv Hornstein, Bü 632, 714 sowie Lang, S. 241
[19]
Vgl. Lang, S. 350
[20]
Vgl. Flurkarte Orsenhausen, KA BC
[21]
Der 1940 geborene Franz Fick zeigte dem Verfasser bei einem
Ortstermin am 21. April 2021 die genaue Stelle der „Judengräber“
an der Gabelung zweier Waldwege, die Benennung kannte er von
seinem Vater.
[22]
Vgl. Steuer-Listen, KA BC, Archiv Hornstein, Bü 632, 714 sowie
Lang, S. 349
[23]
Vgl. Heizmann, S. 20
[24]
Vgl. Lang, S. 347
[25]
Vgl. Lang, S. 348
[26]
Vgl. Steuer-Listen, KA BC, Archiv Hornstein, Bü 632, 714
[27]
Vgl. Frey, S. 51 sowie Braun, Nr. 501, 503, 505, S. 170f.
[28]
Vgl. Frey, S. 50ff.
[29]
Vgl. Lang, S. 344
[30]
Vgl. ders., S. 354. Berlin war spätestens 1582 wieder in
Orsenhausen wohnhaft. Vgl. Braunn Nr. 794, S. 250.
[31]
In der Literatur wurde die Geschichte von Aaron bereits mehrfach
dargestellt. Vgl. Graf, Phillipp: Ein schwäbischer Judenprozeß
des 16. Jahrhunderts, in: Diöcesanarchiv von Schwaben. Organ für
Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diöcese
Rottenburg und der angrenzenden Gebiete 21 (1903), S. 53-55 und
Schenk, Georg: Von den Juden in Orsenhausen und Umgebung. Ein
unvollendeter Justizmord, in: Pessach-Zeitschrift der
Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, 5731 (1971),
S. 25-26 sowie Lang, S. 351f. Die folgende Schilderung beruht im
Wesentlichen auf der Darstellung Grafs, die mit der
Archivüberlieferung abgeglichen wurde, vgl. HStAS, B 60, Bü 1068
[32]
Vgl. Graf, S. 54
[33]
Judenschaft an Landvogtei Schwaben, 19.11.1583, HStAS, B 60, Bü
1068, o.P.
[34]
Vgl. Graf, S. 54
[35]
Vgl. Lang, S. 254
[36]
Vgl. Graf, S. 55 |
Bericht in der Schwäbischen Zeitung am
23.10.2024 von Bernd Baur
als PDF Tafeln erinnern an jüdisches Leben in Orsenhausen Im 16. und 17. Jahrhundert lebte in Orsenhausen eine jüdische Gemeinde, die ein Viertel der Bevölkerung stellte. Seit Sonntag erinnern zwei Gedenktafeln an das jüdische Leben an der Rot. Bernd Baur Orsenhausen Der Historiker Volker Strähle hat in Orsenhausen seine frühe Kindheit verbracht. Nach einer journalistischen Ausbildung bei der „Schwäbischen Zeitung“ folgte ein Studium der Politikwissenschaft in Berlin. Danach war Strähle als Historiker über zehn Jahre lang in Gedenkstätten und Museen tätig. Seit Februar 2024 ist er Referent für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit in der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden. Bei all dem hat er den Blick auf Orsenhausen (die Familie zog später nach Schwendi) nie verloren. Einen besonderen Impuls dafür erhielt er bei einem Israelbesuch vor etlichen Jahren, als er dort zufällig in einem Buch über eine jüdische Gemeinde in Orsenhausen las. „Ich habe das zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst“, erzählt Strähle. Sein Interesse war geweckt, mit dem Biberacher Kreisarchiv nahm er damals gleich Kontakt auf. Tiefer in die Recherchen zur jüdischen Geschichte Orsenhausens stieg der 42-Jährige dann vor drei Jahren ein. Er wälzte wissenschaftliche Literatur, befragte aber auch ältere Mitbürger im Ort, was sie aus Überlieferungen wussten. Foto: Pfarrer Martin Ziellenbach (links) und Schwendis Bürgermeister Wolfgang Späth enthüllen in der Weiherstraße in Orsenhausen eine Gedenktafel, die an die Juden und speziell an den Synagogenstandort erinnern soll. Foto - Bernd Baur Die Erkenntnis, dass in Orsenhausen eine bedeutende jüdische Gemeinde über mindestens 150 Jahre hinweg existierte, dies vor Ort aber nicht sichtbar dokumentiert wird, veranlasste den damaligen Ortsvorsteher Werner Jans zum Handeln. Er regte die Anbringung von zwei Tafeln an, die das jüdische Leben in Orsenhausen in Erinnerung halten sollen. Dieser Vorschlag wurde am Sonntag in die Tat umgesetzt. Im Beisein von rund 90 Interessierten enthüllten Pfarrer Martin Ziellenbach und Bürgermeister Wolfgang Späth eine Gedenktafel in der Weiherstraße 12 in Orsenhausen. An dieser Stelle soll ehemals die Synagoge gestanden haben. Allerdings, so genau kennt man den Standort nicht. „Sie stand auf der anderen Straßenseite im ehemaligen Hirten- und Armenhaus“, bemerkte Anselm Danner am Sonntag. Der 95-Jährige berichtete, dass das Haus, das 1941 abgerissen wurde, für die damalige Zeit ein sehr großes Wohnzimmer hatte. Dies sei möglicherweise der Betsaal der Juden gewesen, erklärte Volker Strähle am Sonntag. Der Historiker berichtete von seinen Nachforschungen. Etwa im Jahre 1527 seien die ersten Juden ins Dorf gekommen. Der damalige Ortsherr Georg von Roth – er hatte in Bußmannshausen sein Schloss – schloss mit ihnen sogenannte „Schutzverträge“ ab, die immer nur für wenige Jahre gegolten hätten und in denen die Rechte und Pflichten der Juden festschrieben wurden. Die meisten der Juden in Orsenhausen seien arm gewesen, so Strähle. Um 1600 lebten rund zehn bis 15 jüdische Familien im Ort (im Vergleich zu 45 christliche Familien). Viele der Juden wohnten in der Weiherstraße, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg „Judengässle“ hieß. Hier stand auch das Wohnhaus, das als Synagoge diente, in der ein Rabbiner lehrte. Wie lange das jüdische Leben in Orsenhausen andauerte, lässt sich nicht genau sagen, so Strähle. Es sei von einer mindestens 150 Jahre andauernden jüdischen Präsenz bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts auszugehen. Dass die Rottalgemeinde ein wichtiges jüdisches Zentrum in Oberschwaben war, zeige sich neben der Existenz der Synagoge auch am Bestand eines jüdischen Friedhofes, so Strähle. Dieser war in einem Waldstück östlich von Orsenhausen angelegt worden. Der Flurname „Judengräber“ ist auf alten Karten eingezeichnet und verweist darauf bis heute. An der Gabelung zweier Wege, die die Fläche des ehemaligen Friedhofes markieren, wurde eine zweite Gedenktafel aufgestellt. „Ich freue mich sehr, dass der Friedhof jetzt markiert und sichtbar für Leute ist, die hier vorbeikommen“, sagte Volker Strähle und betonte. Auch wenn man von dem Friedhof nichts mehr sehe, „gibt es ihn immer noch“. Denn im Gegensatz zu christlichen Friedhöfen, wo Gräber ausgehoben und irgendwann aufgegeben werden, gebe es bei jüdischen Friedhöfen keine Auflösung. Foto: Der Historiker Volker Strähle hat die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Orsenhausen zusammengetragen. Am Standort des früheren jüdischen Friedhofs sprach Strähle zur Geschichte des Ortes. Foto - Bernd Baur |
Gedenktafel in der Weiherstraße vor dem Gebäude Nr. 12 |
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Gedenktafel am jüdischen Friedhof in Orsenhausen |