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Geschichten zur Geschichte von Schloss Großlaupheim
Von Sibylle Kußmaul, Nürnberg/Berlin

Zerstörungen, Neu- und Umbauten, wechselnde Besitzer und unterschiedliche Nutz-ungen prägen den einstigen Herrschaftssitz. Die Schlossanlage besteht aus der sog. "Lehensburg", dem "Neuen Schloß" mit dem "Pfarrgang", dem "Schlössle" und dem Ökonomiegebäude. Erhalten blieben die Toreinfahrt mit ihren beiden runden Seitentürmen, das neobarocke Geflügelhaus des Steinerschen Mustergutes dicht nahe der Pfarrkirche, das Salzbüchsle und Teile der Ummauerung. Botanische Relikte sind die Allee im Süden des Schlosses aus der Mitte des 18. Jahrhundert, als dort ein Barockgarten angelegt wurde und der Rosengarten vor dem Schlössle. Zu sehen ist auch noch das Verwaltergebäude des Steinerschen Musterguts östlich außerhalb des Innenhofs neben dem langgestreckten Stallgebäude, das anstelle des einstigen Rindviehstalls aus dem Jahr 1905 erbaut wurde. Früher befanden sich dort um einen Hof weitere Stallungen und Schuppen. Bis Sommer 1998 waren auf dem Schlossberg außerdem das Kesselhaus und die Mälzerei der einstigen Schlossbrauerei zu besichtigen. 

Schloss-Großlaupheim von der Stadt aus gesehen um 1900


Herrschaftlicher Wohnsitz und Ort der Präsentation

Das heutige Erscheinungsbild rekonstruiert den Zustand des Umbaus von 1752, als Constantin Adolf von Welden, Herr von Großlaupheim, Schloß Großlaupheim im barocken Stil umbauen ließ. Er war nach seiner Heirat mit Theresia von Zwiefalten zu gewissem Reichtum gekommen. Zwar hielt er sich zumeist andernorts auf, dennoch war ihm an einem repräsentativen Wohnsitz gelegen. Die Satteldächer der Gebäude wurden durch Mansarddächer ersetzt. Der bis dahin bestehende Torvorbau, der zur Stadt hin der heutigen Durchfahrt vorgeblendet war, wurde abgetragen und die gesamte Außenfassade durch gleichmäßige Fensterbahnen mit neuen, großen Fenstern gegliedert. Ein repräsentatives, noch heute erhaltenes Treppenhaus mit aufwendigem Schnitzwerk ersetzte die gedeckte Außentreppe der Lehensburg, die mittig an deren Südfassade zum Innenhof hin plaziert war. Die Treppe war im Vergleich zu mancher marmornen Pracht der damaligen Zeit eine zwar bescheidene, aber stimmige Lösung. In dieser Zeit wurde außerdem das Schlössle errichtet, in dem das vormalige Heimatmuseum der Stadt untergebracht war. Zunächst war es wohl als Witwensitz gebaut worden, dann residierte dort der Weldener Vogt von Großlaupheim. 

Die Renovierungsarbeiten der 1970er Jahre, die den Rückbau in den Zustand des 18. Jahrhunderts zum Ziel hatten, brachten ein unerwartetes Schmuckstück hervor, den Arkadengang im Innenhof, der seit Beginn des 17. Jahrhunderts wegen statischer Schwierigkeiten vermauert war und neu entdeckt wurde. Stilistisch ein Relikt der 1580er/1590er Jahre, als dieses Gebäude, das Neue Schloss errichtet wurde, und durch die Vermauerung nicht Teil der Barockisierung von 1752, verleihen sie dem Hof ein gewisses südländisches Gepräge. Als Teil des Museumslogos haben die späten Renaissance-Arkaden für alle Laupheime-innen und Laupheimer einen hohen Wieder-erkennungswert. 

Das Neue Schloss ließ die Familie von Welden erbauen als äußeres Zeichen ihrer neuen Herrschaft in Laupheim (1581-1840). Dieser Bau bedeutete für die Bevölkerung eine große Belastung, denn erst wenige Jahre zuvor mußte sie die seitlich am Abhang stehende Lehensburg ganz neu aufrichten, nachdem die ursprüngliche Laupheimer Burg am 25. März 1525 vom Baltringer Haufen zerstört worden war. Diese 1325 zum ersten Mal urkundlich erwähnte "vestin" war um 1434 von der Familie von Ellerbach über den ersten Kellern eines Vorgängerbaus neu aufgebaut worden. Damals bekam Ritter Burkard von Ellerbach die hohe Gerichtsbarkeit und das Marktrecht verliehen. Laupheim nahm als Handelsort einen wirtschaftlichen Aufschwung, der den Herren von Ellerbach den Neubau der Feste ermöglichte. Der Sitz derer von Ellerbach war ein auskragender Fachwerkbau, vergleichbar dem Alberweiler Schlössle und befand sich an Stelle des Neuen Schlosses. Die Lehensburg war entgegen des äußerlichen Eindrucks, den die vier Ecktürme vermitteln, immer ein unbefestigter Bau, die Türme ohne militärische Funktion. Sie waren genutzt als Wohnfläche, Treppenaufgang oder "Kassengelass" (Tresor).

Nach den Zerstörungen im Bauernkrieg wurde die Schlossanlage im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in Mitleidenschaft gezogen. 1634 plünderten und brandschatzten schwedische Truppen den Ort. Außerdem erschwerte die Teilung in Klein- und Großlaupheim (1621) erheblich jegliche Investitionen in dem ohnedies mit Schulden belasteten Lehen. Ein Resultat war die Erhöhung der Fronpflicht auf den herrschaftlichen Äckern und Wiesen und der Baufronen. Am Schloss wurden Erneuerungen und Umbauten erst 1680 in Angriff genommen, nachdem größere Auseinandersetzungen um die geforderten Fronen beigelegt worden waren. Der Ort hatte in Folge des Krieges zwei Drittel seiner Bevölkerung verloren. Von wirtschaftlicher Not, Hunger und Seuchen erholten sich die Laupheimer, wie das gesamte Umland und alle vom Krieg betroffenen Gebiete, nur sehr langsam. Die wichtigste Baumaßnahme der Renovierungen von 1680 war die Verbindung von Lehensburg und Neuem Schloss durch jenen Torbau, den Constantin Adolf von Welden wenig später wieder abtragen ließ. Dieser Zusammenbau war ursprünglich nicht vorgesehen oder wurde beim Bau des Neuen Schlosses jedenfalls nicht berücksichtigt. Um die Niveaus der Geschosse in beiden Häusern anzugleichen, mußten im Neuen Schloss Zwischenböden eingezogen werden. 

 


Die Steiner Familie auf 
Schloss Großlaupheim


Im März 1843 erwarben Victor Steiner aus Laupheim und der Brauereimeister Franz Josef Lauterwein aus Oberkirchberg mit dem Bürgen Peter Wahl aus Harthausen die Schlossanlage und das auf dem Schloss liegende Braurecht. Wenig später, im September, schied Lauterwein aus, und Anton Lindner aus Burgrieden komplettierte die Besitzerriege. Nachdem es 1852 zum Rechtsstreit mit den drei Tafernwirthen (Wirtschaften mit Braurecht) der Stadt, den Inhabern der Krone, des Adlers und des Löwens, um das Braurecht gekommen war und die Angelegenheit im Sinne der Inhaber der Schlossbrauerei beigelegt wurde, übernahm Victor Steiner im Jahr darauf als alleiniger Inhaber das Ruder und etablierte mit umfassenden Baumaßnahmen einen modernen, leistungsfähigen Brauereibetrieb.

Der wichtigste Umbau war die Einrichtung des Sudkesselraums im östlichen Teil der Burg. Die beiden Decken wurden herausgeschlagen, um den hohen Sudkesseln Raum zu geben. Die Fassade zum Innenhof war von zwei langen Fensterbahnen durchbrochen. In der Lehensburg wurden außerdem Hopfen gelagert, Eier ausgebrütet und Kücken gezogen. 

Das Herzstück der Brauerei war jedoch seit 1872 wie bei jedem moderneren Betrieb das Maschinenhaus, das beständig umgebaut und vergrößert wurde, wenn eine stärkere Maschine aufgebaut wurde. In den ersten Jahren bestand das Dampfmaschinenhaus nur als schmaler Anbau zwischen den beiden östlichen Türmen der Burg. Die Inbetriebnahme des Dampfkessels wurde wie üblich im Laupheimer Amtsblatt angezeigt. Etwaige Einwände konnten innerhalb von 14 Tagen in der Oberamtskanzlei (Schloss Kleinlaupheim) vorgebracht werden, wo die Pläne und Beschreibungen auslagen. Weitere Ausbauten folgten 1888 und schließlich 1897, als der letzte große Heizkessel eingebaut wurde, der bei einer max. Betriebsleistung einen Wasserverbrauch von 1200 Litern hatte und als Brennstoff nicht mehr mit Holz oder Torf funktionierte, sondern mit Steinkohle. Dieser Kessel wurde 1924 außer Betrieb gesetzt. 1904 hatte das Kesselhaus seinen letzten Anbau und damit seine bis zuletzt gültige Gestalt erhalten mit den Backsteinmauern und der damals üblichen, runden Hellblechbedeckung. 

Weitere Veränderungen wurden um die Jahrhundertwende unter der Ägide von Kilian von Steiner vorgenommen, der 1894 Großlaupheim von seinen Geschwistern erworben hatte. Er baute nicht nur ein Mustergut für seinen Sohn Adolf Wohlgemut (Mut) Steiner auf, sondern brachte auch die Brauerei auf den neuesten Stand, nahm den erwähnten Heizkessel in Betrieb und ließ 1898 ein Pumpwerk am Fuß des Burgbergs und 1899 ein zusätzliches Maschinenhaus hangseitig an die Lehensburg bauen. Dieses Maschinenhaus beherbergte eine Kaltluftmaschine samt Zubehör. Das ganze Schloss erhielt einen ockergelben Anstrich. 

1896 wurde östlich neben der Lehensburg die Mälzerei erbaut, ein mehrstöckiger, zwar zierloser, aber klassischer Industriebau aus rotem Backstein. Hier wurde die Gerste angekeimt, getrocknet und über Röhren in den Sudkesselraum transportiert. Bis zu ihrem Abriß im Sommer 1998 bezeugte die Mälzerei ein Stück Nutzungsgeschichte eines Unternehmens, das zwar in einem der ältesten Zweige der Nahrungsmittelproduktion arbeitete, dies aber auf modernstem, von technischen Entwicklungen geprägten Niveau. Die Brauerei und das Mustergut von Mut Steiner standen damit in einer Reihe von Laupheimer Unternehmen, die die Entwicklung des Orts zur Kleinstadt trugen und die noch heute dominierende Wirtschaftsstrukktur prägten.

Als Kilian von Steiner starb und sein Sohn Mut als Diplomlandwirt 1904 den Betrieb samt Mustergut übernahm, war die Schlossbrauerei damit ein wohlorganisierter Brauereibetrieb, dessen Position Mut Steiner in der Umgegend ausbauen konnte. Sein Sohn Ulrich Steiner, der mit Beginn der NS-Herrschaft seine juristische Ausbildung nicht zu Ende führen durfte, konnte nach dem Krieg an die Erfolge der Weimarer Zeit nicht mehr anknüpfen und gab schließlich 1955, sechs Jahre vor seinem Tod, die Bierproduktion auf.


Während der innere Hof in diesen Zeiten nichts von seiner heutigen Beschaulichkeit hatte, war die der Stadt zugewandten Seite immer die gefällige Schauseite. Im Schlössle befand sich seit 1856 die Brauereiwirtschaft, bis Ende des Jahrhunderts mit einem großen, mit alten Kastanien und Linden bewachsenen Biergarten davor. Entlang der Mauer zwischen dem Schlössle und dem "Salzbüchsle" genannten Ecktum zog sich eine gedeckte Kegelbahn. Als Kilian von Steiner den Grund, der zum Schlossbesitz gehörte, in einen Park englischen Stils mit teils exotischen Pflanzen umwandeln ließ, wurden die Kastanien gefällt, die Wirtschaft geschlossen und der Rosengarten angelegt. Das Ökonomiegebäude jenseits des äußeren Hofs, das 1894 auf die ganze Länge verbreitert wurde und ein neues Dach erhielt, beherbergte die Wagenremise und Ställe für die Pferde. Das Bier wurde hier im Hof vor dem Schloss aus den Kellern gerollt und direkt mit Pferdewagen ausgeliefert.



Die Sonnenseite des Schloss-Großlaupheim um 1930

Alterssitz des Dr. jur. Kilian von Steiners

Kilian von Steiner ließ sämtliche Wohnräume neu gestalten. Nach einem äußerst erfolgreichen Berufsleben kehrte er zurück nach Laupheim und schuf sich und seiner Familie einen Wohnsitz mit großbürgerlichem Ambiente. Bereits wenige Jahre vor Erwerb des Schlosses durch seinen Vater waren die Räume mit Parkett ausgelegt worden. Die neue Einrichtung orientierte sich nicht am schweren süddeutschen, dem "altdeutschen" Stil, der noch sehr verbreitet war, sondern an dem um 1900 modern gewordenen Neo-Klassizismus und vor allem am Biedermeier. Kilian von Steiner ließ als Teil der Kinderzimmer das frühere "Kassengelass" derer von Welden, das mit Tapetentüren abgetrennt war, mit Phantasievögeln ausmalen. Der in seiner damaligen Gestaltung weitgehend erhaltene Raum mit Holztäfelung, Kronleuchter und repräsentativem Gemälde (im Museum heute der Steiner-Raum) wurde als Eßzimmer genutzt und erhielt einen halbrunden Balkonvorbau, auf dem die Steiners gerne ihren Tee nahmen mit Blick auf den Rosengarten und die oberschwäbische Landschaft. Im Erdgeschoss des Neuen Schlosses befanden sich Büros und Arbeitszimmer. Im zweiten Obergeschoss, das lange Zeit nicht genutzt war, wurden Gästezimmer eingerichtet, benannt nach Orten, in denen sich Kilian und seine Frau gerne aufgehalten hatten: Genf, Capri, Berchtesgaden und Degerloch. Alle Räume wurden mit einer damals sehr modernen Dampf-Zentralheizung beheizt, die vom Dampfkessel der Brauerei gespeist wurde.

Der bisher nicht erwähnte Querriegel an der Südseite des Neuen Schlosses, der bereits um 1630 erbaut wurde, war immer dem Personal vorbehalten. Zunächst befanden sich dort die Pferdeställe und darüber der Heuboden. Nach 1843 wurde dort das Bad der Steinerschen Familie, die Toilette und die Küche eingerichtet, die unter den Welden im Erdgeschoss der Lehensburg untergebracht war. Natürlich ließ Kilian von Steiner auch hier alles auf Stand der Zeit bringen.........
Die Geschichte von Schloss Großlaupheim hört natürlich mit Beginn des letzten Jahrhunderts nicht auf. Recherchen müssen noch fortgeführt werden, etwa über die Rotkreuzstation im Ersten Weltkrieg, die Ereignisse in der NS-Zeit das Schloss und die Steiners betreffend, die Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Nutzungsgeschichte des Schlössles, das Heimatmuseum etc, etc. Immer aber läßt sich an der Schlossgeschichte auch Ortsgeschichte ablesen und dies bis in die heutige Zeit.

Quellen und Literatur:
Staatsarchiv Sigmaringen,
Wü 65/18, Bd 1, 27; Bauakten St-W, 101
Kreisarchiv Biberach, 
Wü 65/18, Büschel 969, 981, 693, 695 - 699, 702
Königliche Rittergutverwaltung Laupheim, Beschreibung der zu dieser Verwaltung gehörigen Gebäude, 1841
Die Kunst- und Altertumsdenkmale in Württemberg Oberamt Laupheim, 1922.
Urkunden und Nachrichten zur Geschichte des Schlosses Gross-Laupheim, gesammelt von Gustav Ströhmfeld, im Auftrag des Schlossherrn zu Gross-Laupheim, geh. Kommerzienrats Dr. K. von Steiner, Stuttgart 1898-1902.
Schenk, Georg: Laupheim. 
Geschichte, Land, Leute. Weißenhorn 1976.
Wehling, Hans-Georg (Hg): 
Oberschwaben (= Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württemberg 24). Stuttgart u.a. 1995.
Gutachten der Schlossanlage des Landesdenkmalamts, 
Stand 1997
Interview mit Frau Link, 1997

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