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2015

Zum Andenken an Otmar Schick

In Vertretung der Nachkommen der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Laupheim möchte ich an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, wie nahe uns sein Ableben berührt, und welchen Dank wir ihm für seine jahrelange Tätigkeit schulden. In der schwierigen Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hat er sich vorbehaltlos für die Belange unserer Gemeinschaft eingesetzt: ein grosses Treffen der Überlebenden veranstaltet, den Friedhof unterstützt, und den Grundstein zum heutigen Museum zur Geschichte von Christen und Juden gelegt. Vor allem mit dem Laupheimer Ernst Schäll s.A. und mit dem aus der Schweiz anreisenden Helmut Steiner hat er eng zusammen gearbeitet und deren Pläne und Ideen unterstützt. Er liess es sich nicht nehmen, den betagten Helmut Steiner zu seinen besonderen Geburtstagen in seinem Haus in St.Gallen mit Delegationen des Gemeinderates zu besuchen, und auf diese Weise die Beziehungen zu Laupheim wieder aufzubauen und zu stärken. Auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Bürgermeisters kam er immer, so weit es sein gesundheitlicher Zustand zuliess, an die öffentlichen Veranstaltungen auf dem Friedhof, im Museum und im Kulturhaus. Er pflegte die Kontakte zu den Ehemaligen und liess sie fühlen, dass Laupheim immer noch ihre ursprüngliche Heimat ist. Das auf unseren Grabsteinen stehende Gebet  gelte auch für ihn: Lass seine Seele aufgenommen sein in den Bund des ewigen Lebens, Amen.

Yitzhak Heinrich Steiner, Re`ut (Israel).

 

„Laubü“ würdigt bürgerschaftliches Engagement
Laupheimer Bürgerstiftung vergibt vier Auszeichnungen – Yitzhak Heinrich Steiner erhält den Preis in Gold 
Laupheim  / sz „Einmal Laupheim und zurück“ fährt die kleine Eisenbahn in dem Lied, mit dem der Kinderchor der städtischen Musikschule Gregorianum am Sonntag die Feier zur Verleihung des „Laubü“ eröffnet hat. Damit würdigt die Laupheimer Bürgerstiftung bürgerschaftliches Engagement für Laupheim. Die Auszeichnung in Silber erhielten Dorothea Werner und Richard Brenner von der Musikschule und Elisabeth Lincke, Vorsitzende der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken (GGG). Den „Laubü“ in Gold bekam Yitzhak Heinrich Steiner überreicht.
„Weshalb ausgerechnet ich?“, hätten die Geehrten gefragt und sogleich die Gruppe, für die sie stehen, in den Mittelpunkt gestellt, berichtete Michael Roosz, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung. Die Strahlkraft der Auszeichnung solle andere Bürger dazu animieren, es ihnen gleich zu tun. „Jeder persönliche Einsatz für das Gemeinwesen lohnt sich“, betonte Roosz.
Bürgermeister Rainer Kapellen hob das „übergroße Engagement“ der neuen Laubü-Preisträger hervor, mit dem diese seit vielen Jahren die Erinnerung an Antisemitismus, Nationalsozialismus und Rassismus in Laupheim wach hielten. „Vor allem die junge Generation profitiert von Ihrem Engagement.“
Eine erfüllende Aufgabe
Die Laudatio auf Elisabeth Lincke hielt Michael Niemetz, der Leiter des Museums zur Geschichte von Christen und Juden. „Tue Gutes ohne zu schielen“, zitierte er ein chinesisches Sprichwort, das seit vielen Jahren von der GGG eingelöst werde. 1998 trat Elisabeth Lincke die Nachfolge des im September verstorbenen Udo Bayer an, ein Jahr zuvor war die GGG gegründet worden. Seither sei vieles gelungen, sagte Niemetz. Zum Beispiel das Museum, das ohne die Beiträge der GGG so nicht denkbar sei, 2008 die Herausgabe des Gedenkbuchs „Die jüdische Gemeinde und ihre Zerstörung“, und 2011 die Anschaffung von Audioguides für die Dauerausstellung. Sie fühle sich geehrt und beschenkt, sagte Elisabeth Lincke und bekannte: „Gerne erfülle ich diese Aufgabe, aber sie erfüllt auch mich.“
Richard Brenner, dem „Motor, Vordenker und unermüdlichen Antreiber der Erfolgsstory Musikschule Gregorianum“, und seiner Stellvertreterin Dorothea Werner galten die Dankesworte von Frank Schneider. Mit ihrem Einsatz und ihrer Arbeit bereicherten sie nicht nur das Leben der Kinder, sondern auch das kulturelle Leben Laupheims. Gemeinsames Musizieren fördere Teamgeist und soziale Kompetenzen; Konzerte und preisgekrönte Musicals seien Beleg, dass am Gregorianum hervorragende Arbeit geleistet werde. Brenner und Werner nahmen die Auszeichnung für das ganze Musikschulteam an und betonten, die eigentliche Belohnung sei die Rückmeldung von Kindern und Jugendlichen, für die die Zeit am Gregorianum prägend gewesen sei. „Dann haben wir unser Ziel erreicht.“
Geradlinig, mit nimmermüdem Einsatz widme sich Yitzhak Heinrich Steiner der Erinnerung an die jüdische Gemeinde Laupheims, sagte die Laudatorin des Gold-Preisträgers, Christa Jerg. Jüngstes Beispiel seiner Verbundenheit mit Laupheim sei sein Engagement für die Renovierung des Hauses am jüdischen Friedhof sowie für das Laupheimer Museum, an dessen Aufbau er schon seit den 1990ern wesentlich beteiligt gewesen sei. „Sie leben die Werte Verständigung und Toleranz aus tiefer persönlicher Erfahrung“, sagte Jerg.
Wieder ein Laupheimer
Er sei glücklich, die Werte seiner Familie weiterzuführen, sagte Steiner, dessen Vater Helmut seine Heimatstadt Laupheim verlassen musste und als einer der Ersten nach 1945 zurückkehrte. Obwohl er seit langer Zeit in der Schweiz lebe und seit 50 Jahren israelischer Staatsbürger sei, nehme er die Auszeichnung an „in dem Bewusstsein, wieder ein Laupheimer zu sein“. Stehende Ovationen.
Außer dem Kinder- und Jugendchor unter der Leitung von Dorothea Werner gestaltete ein a-cappella-Ensemble der Stuttgarter Musikhochschule um Irina Roosz die Feier musikalisch.

 

 

Nachruf: Udo Bayer

 

Laupheim - Trauer um Udo Bayer: Der ehemalige Konrektor des Carl-Laemmle-Gymnasiums, ein international anerkannter Laemmle-Spezialist, ist am vergangenen Freitag nach schwerer Krankheit gestorben. Er wurde 71 Jahre alt.

In Hollywood eine Legende, Cineasten weltweit ein Begriff, doch in der Heimat weithin vergessen und verkannt: Das traf nach 1945 auf den in Laupheim geborenen Kinopionier Carl Laemmle zu. In seiner Vaterstadt deckten viele den Mantel des Schweigens über vieles, was mit der im "Dritten Reich" gewaltsam ausgelöschten jüdischen Gemeinde zusammenhing. Kein Einzelfall.

Udo Bayers Bestreben war es, die Erinnerung wach und das jüdische Erbe hochzuhalten. Als der Lehrersohn aus Hechingen 1969 nach Laupheim kam, verabschiedete das junge Vollgymnasium den ersten Abiturjahrgang. Einen Namen bekam die Schule erst 1994. Dass die Wahl auf Carl Laemmle fiel, ist maßgeblich Bayers Verdienst. Die Freundschaft mit Laemmles Großnichte Ruth Regis, die 1988 Laupheim besuchte, hatte ihm einen Zugang zu Leben und Werk des "Universal"-Gründers eröffnet. "Ich habe seinen Namen durchgeboxt", erzählte er später. Seine letztlich erfolgreiche Empfehlung an den Gemeinderat gründete auf drei Säulen: dass Laemmle die hiesige Lateinschule besuchte; dass er Laupheim nach dem Ersten Weltkrieg großzügig unterstützte; und dass er nach Hitlers Machtergreifung mit Bürgschaften mehr als 300 deutschen Juden die Einreise in die USA ermöglichte und sie so vor dem tödlichen Zugriff der Nationalsozialisten rettete.

Bayer, der in Semiotik promovierte (ein Spezialgebiet der Sprachwissenschaften) und von 1989 bis zur Pensionierung 2008 stellvertretender Schulleiter am CLG war, wo er Geschichte, Gemeinschaftskunde, Deutsch, Philosophie, Ethik und Literatur unterrichtete, hat zu etlichen jüdischen Laupheimern geforscht und publiziert. Im Mittelpunkt seiner Recherchen aber stand Carl Laemmle. Über Jahrzehnte trug er akribisch Mosaiksteine zusammen, durchkämmte Archive, befragte Zeitzeugen, scheute keine Reise. Er knüpfte freundschaftliche Bande zu Mitgliedern der Familie Laemmle. Sie öffneten ihm ihre privaten Schatztruhen und manche Tür, allen voran Laemmles Nichte Carla. Fündig wurde er nicht zuletzt im Archiv der Universal Studios, die beileibe nicht jedem den Zutritt gestatten, und im Internet.

Die Summe seiner Erkenntnisse breitete Bayer in der 2013 veröffentlichten, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit aus den Quellen gearbeiteten Biografie "Carl Laemmle und die Universal. Eine transatlantische Biografie" aus - ein Standardwerk, das Laemmles Vita einbettet in die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der Zeit auf beiden Seiten des Atlantiks. Im SZ-Interview bekannte der auch filmhistorisch beschlagene Autor: "Diese Biografie ist aus der Zuneigung heraus entstanden." Er hatte eine hohe Meinung von Laemmles menschlichen Qualitäten.

Vor wenigen Monaten legte Bayer ergänzend dazu einen wunderbaren Bildband vor, in dem 160 kommentierte Fotos und Dokumente Laemmles Leben erzählen. Ein Manuskript mit Kurzporträts von jüdischen Laupheimern hat er noch abschließen können; die Gesellschaft für Geschichte und Gedenken, deren Gründungsmitglied er war, wird wohl die Veröffentlichung betreuen.

Entscheidenden Anteil hat Bayer am Aufbau des Museums zur Geschichte von Christen und Juden. Er brachte eine Fülle von Dokumenten, Objekten und Fotos ein, ohne ihn gäbe es den Laemmle-Trakt so nicht. Überdies diente er dem Museum als Ratgeber und kundiger Führer durch die Ausstellung. Statt sein Wissen eitel zu hüten, wie Andere dies tun, ließ er - ganz Pädagoge - Andere bereitwillig daran teilhaben. Wer den Mann mit dem trockenen, bisweilen schwarzen Humor zu Hause in Baustetten besuchte, machte Bekanntschaft mit seiner Passion für das Malen und seinen von Hand aufgezogenen Papageien.

Mit Udo Bayer ist ein Stück Laupheimer Erinnerungskultur gegangen. Sein Beispiel bleibt.

Roland Ray - Schwäbische Zeitung

 


Udo Bayer  - zur Erinnerung

Von Yitzhak Heinrich Steiner, Re`ut (Israel)

 

Gleichzeitig mit dem Erscheinen des Bildbandes zu Carl Laemmle und dem Druck seiner „Laupheimer Miniaturen“ erreichte mich die schmerzliche Nachricht vom Tod von Udo Bayer. Sein jahrelanger und unentwegter Kampf um die Gesundheit war verloren -  trotz der aufopfernden Hilfe der Ärzte und der Familie.

Meine Kontakte zum lieben Verstorbenen drehten sich vor allem um seine Bemühungen und Arbeiten zum Gedenken an den Laupheimer Filmpionier Carl Laemmle. Was bewegte ihn zu dieser, sich selbst auferlegten Aufgabe?  In dem biblischen Buch „Sprüche der Väter“ äussert sich der weise Hillel zu dieser Frage wie folgt  (Kap.2, V.6): „Am Ort, wo es an Männern fehlt – bemühe Dich, ein Mann zu sein.“

Im Fall Carl Laemmle war dieser eine Mann Udo Bayer: er scheute keinen Einsatz und keine Reise, sammelte alle Dokumente, recherchierte in Europa und Amerika, kümmerte sich um die noch lebenden Mitglieder der Familien, half beim Aufbau des Museums im Schloss Grosslaupheim, hielt Referate, schrieb Artikel und Bücher.

Die Geschichte, die Stadt Laupheim, die Filmwelt und die Nachkommen der ehemaligen jüdischen Gemeinde sind ihm dafür von Herzen dankbar. Seine Seele sei aufgenommen in den Bund des ewigen Lebens.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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