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2016

 

Zum Tode von Rina Alexander Lior,

von Dr. Yitzhak Heinrich Steiner

 

An der Bestattung von Frau Rina Alexander Lior (1918-2016) auf dem Friedhof des Kibbuz Naot Mordechai im Norden Israels am 15.8.2016 verlas ihr erster Sohn Chagai (geb.1943) den folgenden Lebenslauf:

 

Unsere Mutter wurde im November 1918 in Hamburg geboren. Ihre Mutter Bertha geb. Haymann starb wenige Tage nach der Geburt. Ihr Vater, Professor Friedrich Adler, zeitgenössischer Designer und beliebter Dozent über Kunst, ehelichte später Frieda Fabisch, die uns zur Mutter und Grossmutter wurde.

 

Bertha und Friedrich Adler stammten aus der jüdischen Gemeinde von Laupheim in Süddeutschland. Bertha fühlte sich während ihres ganzen Lebens dieser Stadt verbunden.

 

Im Alter von 7 Jahren kam sie in die Schule vom Internat in Herrlingen. Nach der  Machtergreifung der Nazis 1934 verliess Mutter Frieda Hamburg und übersiedelte mit ihrer kleinen Schwester Amaranth nach Zypern, wo ihr jüngerer Bruder Jacky-Michael geboren wurde.

1937 kam Rina nach Dänemark zur „Hachscharah“-Ausbildung für das Leben im Kibbuz in Palästina, wohin sie im Februar 1938 emigrierte. Zuerst war sie im Kibbuz Allonim, und dann arbeitete sie in der Viehzucht.

 

Im Jahre 1941 kam sie als freiwillige Hilfe in den Kibbuz Sdot Yam, wo sie unseren Vater Axi Shimon Alexander kennen lernte. Zusammen zogen sie nach Nahariyya, wo sie sich dem ersten Kern des Kibbuz Ga`aton anschlossen. Sie arbeitete als Melkerin der beiden Kühe der Familie Strauss und bei anderen Aufgaben im Kibbuz. 1941 trat Axi in die „Palmach“ Truppe ein. Im März 1942 heirateten unsere Eltern in einer gemeinsamen grossen Hochzeit von 7 Paaren aus dem Kibbuz Ga`aton.

 

Im Juli 1942 wurde Rina`s Vater Friedrich ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet. Im Jahre 1943 wurde Axi in den Künstlerkreis der Bewegung Kibbuz Me´uchad aufgenommen und präsentierte seine Arbeiten an der Jahresversammlung in Yagur.

 

Am 16.Juni 1946 starb er, zusammen mit 13 seiner Kameraden aus dem Palmach, bei der Zerstörung der Achsiv-Brücke im Rahmen der Aktion „Nacht der Brücken“. Während langer Monate wusste man nicht, was mit den bei der Aktion umgekommenen Kämpfern geschehen war. Bruder Shimon kam zur Welt im Februar 1947, 8 Monate nach dem Tod unseres Vaters Axi, und wurde nach ihm benannt. Mutter Rina erzog uns allein, und wir sind ihr dankbar für all die Jahre, die sie uns gewidmet hat.

 

Im Mai 1948 zog Mutter Rina, zusammen mit den Kindern und Mitgliedern von Ga`aton, nach Kedma, und von dort 1949 nach Naot Mordechai. Sie arbeitete im Kinderhaus und in 1955 absolvierte eine einjährige Ausbildung als Kindergärtnerin im Seminar „Oranim“. Während vieler Jahre arbeitete sie in diesem Beruf und erzog viele Kinder aus dem Kibbuz.

 

1957 wurde hier das „Haus Axi“ eröffnet, der erste Klub der Kibbuzbewegung, auf den Namen unseres Vaters, worüber sie sehr stolz war.

 

Rina war aktiv im Soldatenkomitee, kümmerte sich um die Versendung von Paketen, strickte Mützen, und wurde als Vorsitzende des Elternrates gewählt. Sie liebte die Musik und hörte Konzerte von den Dutzenden von Platten, die sie im Lauf der Jahre gesammelt hatte. Ihre Liebe zur Musik hat sie auf uns alle übertragen, ihre Söhne und ihre Enkel.

 

Im Juni 1968, 12 Jahre nach dem Tod von Axi, wurde das Denkmal für die 13 Kämpfer des Palmach eingeweiht, die bei der Zerstörung der Brücke von Achsiv umgekommen waren.

 

1972 lernte sie Meir Lior kennen, Mitglied des Kibbuz Allonim, heiratete ihn, und lebte mit ihm im Kibbuz Naot. In der Folge heiratete ich Tami, und Shimon ehelichte Mira. Zur Welt kamen 6 Enkel und 10 Urenkel, eine Quelle der Freude und des Stolzes. Im August 1992 fand in Deutschland eine Gesamtschau der Werke ihres Vaters Prof. Friedrich Adler statt, zu der sie unter der Begleitung von Maayan und mir fuhr. Im Oktober 2012 eröffnete das Kunstmuseum von Tel Aviv die erste Ausstellung seiner Werke in Israel, und im Zentrum die Farbfenster der 12 Stämme Israels, die dem Bürgermeister Meir Dizengoff geschenkt worden waren und seither jahrelang in einem Magazin eingelagert waren. Heute sind die Vitragen im Museum „Haus der Diaspora“ in Tel Aviv ausgestellt. Rina beschäftigte sich weiter mit dem Erlernen der Stickerei, der Beschäftigung von älteren Menschen, der Herstellung von Spielzeug, und der Therapie im Invalidenzentrum.

 

Bis zum letzten Jahr fuhr sie regelmässig in die Kurse der Veteranen von Galiläa, wo sie sich viele Freunde erwarb. Diese Beschäftigung machte sie glücklich und zufrieden.

 

Aus Tradition feierten wir ihre Geburtstage im Kreise der ganzen Familie, und sie genoss es, im Mittelpunkt der Feier zu stehen.

In den letzten zwei Jahren fühlte sie sich älter und schwächer, und wurde von ihrer Nurse Cinthiya betreut, die sich bis zu ihrem letzten Tag rührend um sie kümmerte.

 

Sie verliess uns in hohem Alter, umgeben vom lieben Kreis ihrer Familie.

Ihr Andenken soll gesegnet sein.

 

 

 

 

"Damit bewahrt man die Vergangenheit"

Realschüler pflegen den jüdischen Friedhof in Laupheim 

Laupheim - Ziemlich voll ist er geworden, der große orangefarbene Anhänger auf dem jüdischen Friedhof in Laupheim.

Einen Vormittag lang haben die Schülerinnen und Schüler der Klasse 7d der Friedrich-Adler-Realschule die Grabstätten gesäubert und so dazu beigetragen, das Andenken an die während der NS-Diktatur ausgelöschte jüdische Gemeinde Laupheims zu bewahren.

Am vergangenen Mittwoch hat die Urenkelin von Friedrich Adler die Geburtsstadt ihres Urgroßvaters, den jüdischen Friedhof und auch die nach ihm benannte Realschule besucht. Die Klasse 7d hat das Ereignis allerdings verpasst - sie weilte im Landschulheim. Am Montagmorgen jedoch haben die Schüler auf eine andere Art und Weise das Andenken an die jüdische Gemeinde in Laupheim gepflegt: Zusammen mit ihrer Lehrerin Daniela Barth und Michael Schick, der sich ehrenamtlich um den jüdischen Friedhof kümmert, haben sie die Grabstätten und Wege gereinigt.

Die Aktion hat bereits Tradition; seit Langem kommen einmal im Jahr Schüler der Friedrich-Adler-Realschule auf den Friedhof, um das wuchernde Efeu einzudämmen und kleine Ahorntriebe sowie von den Bäumen herabgefallene Äste von den Grabstätten zu entfernen. "Es ist wichtig, die Jugendlichen einzubinden, damit sie diesen Teil der Laupheimer Vergangenheit besser kennen lernen und annehmen", ist Michael Schick überzeugt. Im Lauf ihrer Realschulzeit setzen sich die Jugendlichen immer wieder mit dem Schicksal der jüdischen Gemeinde in Laupheim auseinander. So sieht das pädagogische Konzept unter anderem auch den Besuch des Museums zur Geschichte von Christen und Juden im Schloss Großlaupheim vor.

Zwischen den verwitterten Grabsteinen im älteren Teil des Friedhofs kniet die zwölfjährige Hanna und zieht Efeu heraus. Gerne wäre sie in dabei gewesen, als Adlers Urenkelin Laupheim besuchte. "Das zeigt, dass die Menschen noch an ihren Vorfahren hängen", sagt sie. Ihre Arbeit auf dem Friedhof findet sie deshalb wichtig: "So sehen die Angehörigen, die nach Laupheim kommen, dass die Gräber noch gepflegt werden." Der gleichaltrige Henry, der den Weg zwischen den Grabreihen harkt, stimmt ihr zu. "Es ist eine gute Aktion, damit bewahrt man die Vergangenheit."

Schwäbische Zeitung vom 03.05.2016

 

 

 

 

Auf den Spuren eines großen Künstlers
Ma'ayan Alexander,
Urenkelin von Friedrich Adler, hat Laupheim besucht.
 
Laupheim - Ma'ayan Alexander, Urenkelin des in Laupheim geborenen, in Auschwitz ermordeten Jugendstilkünstlers Friedrich Adler, hat die Heimatstadt ihres Urgroßvaters besucht. "Es ist spannend, das erste Mal an einem Ort zu sein, und ich fühle mich fast wie zuhause", sagte der Gast aus Israel.

Schüler und Lehrer der Friedrich-Adler-Realschule haben Ma'ayan Alexander (rechts auf der Bühne) einen herzlichen Empfang bereitet.  Foto rechts: Reiner Schick

Am Mittwoch musste sich Ma'ayan Alexander ein paar Tränen aus den Augen wischen: Einen berührenden Empfang bereiteten ihr die rund 870 Schüler und Lehrer der Laupheimer Realschule, die den Namen Friedrich Adlers trägt. Im Foyer erklang das jüdische Volkslied "Hevenu shalom alechem" ("wir wollen Frieden für alle"), gesungen von Fünft- und Sechstklässlern und mit der Gitarre begleitet von Lehrer Hans-Jörg Zeller. "Jedes Jahr feiern wir den Geburtstag von Friedrich Adler. Er wäre am 29. April 138 Jahre alt geworden", sagte die Schulleiterin Romy Popp. "Heute ist aber erst der 27. April. Wir haben die Geburtstagsfeier kurzerhand vorverlegt."Mit dem Namenspatron der Schule verbinde sich nicht nur ein großer Künstler, sondern auch das Schicksal vieler Menschen, die durch menschenfeindliches Denken und zutiefst diskriminierendes Handeln unermessliches Leid erfahren hätten, sagte Popp und fügte an: "Um uns immer wieder daran zu erinnern, wie wichtig es ist, tolerant und wertschätzend miteinander umzugehen, haben wir uns dafür entschieden, eine Schule ohne Rassismus und mit Courage zu sein." Der Besuch von Ma'ayan Alexander gebe den Schülern die Gelegenheit, geschichtliche und aktuelle Zusammenhänge zu erkennen und verständnisvoller für die Mitmenschen zu werden.Ganz persönlich begrüßt wurde Friedrich Adlers Urenkelin von der Fünftklässlerin Julia Schick. "Ich war vor zwei Jahren in Israel und habe dort mit deiner Großmutter gesprochen. Bitte grüße sie ganz herzlich von mir", sagte das Mädchen und überreichte Ma'ayan zusammen mit Romy Popp zwei Rosen.Vor dem Empfang hatten Mitglieder der Kunst-AG 2014/15 unter Leitung von Heike Bischof und Daniela Barth Ma'ayan Alexander anhand einer Bildpräsentation von ihrer Suche nach Spuren an Friedrich Adlers langjährigem Wohnort Hamburg erzählt. Und die 36-Jährige hatte während ihres Aufenthalts selbst reichlich Gelegenheit, Spuren ihres Urgroßvaters in Laupheim zu suchen. Morgens beim Frühstück im "Adler-Haus" in der König-Wilhlem-Straße, mittags beim Essen im "Hermes", dem einstigen Wohn- und Geschäftshaus ihres Ururgroßvaters Isidor Adler und Geburtshaus Friedrich Adlers, nachmittags im Museum und auf dem jüdischen Friedhof.

Ein Herzenswunsch

Ma'ayan Alexander ist im Kibbuz aufgewachsen, sie arbeitet als Web-Managerin an der Hebräischen Universität Jerusalem. Am Mittwochabend ist sie nach Karlsruhe weitergefahren. Von dort hatte sie 2015 die Nachricht erhalten, dass im Fundus der Staatlichen Kunsthalle 75 Blatt moderne Druckgrafik gefunden wurden, die die Nationalsozialisten Hermann Haymann, dem Onkel ihrer Großmutter Rina Lior Alexander, raubten - und dass die Großmutter die rechtmäßige Erbin sei. "Das kam völlig überraschend", erzählt Ma'ayan.Wie berichtet, hat ihre Oma der Kunsthalle den nun rechtmäßigen Kauf der

Grafiken ermöglicht - "wir hätten sie weder fachmännisch aufbewahren noch ausstellen können". Dass die Papierarbeiten jetzt in Karlsruhe präsentiert werden und an Hermann Haymann erinnert und seine Geschichte erzählt wird, sei indes ein Herzenswunsch gewesen.

Schwäbische Zeitung vom 28.04.2016

 

 

Die folgenden Bilder wurden beim Besuch der Friedrich Adler Realschule gefertigt. Quelle: Friedrich Adler Realschule Laupheim
   

 

 

 

„Wir brauchen Menschen wie sie“
Von Roland Ray - Schwäbische Zeitung

Rolf Emmerich und Yitzhak Heinrich Steiner bekommen die Bürgermedaille der Stadt Laupheim

 

Laupheim - Mit der Bürgermedaille sind am Sonntag Rolf Emmerich und Yitzhak Heinrich Steiner ausgezeichnet worden. Die Stadt würdigt damit das herausragende Engagement der beiden für die Aufarbeitung und Bewahrung der jüdischen Geschichte Laupheims.

Das heutige Laupheim zeichne sich durch Toleranz und Weltoffenheit aus, sagte Oberbürgermeister Rainer Kapellen vor 250 Gästen im Kulturhaus in seiner Laudatio. Rolf Emmerich und Yitzhak Heinrich Steiner - "wir brauchen Menschen wie sie" - hätten großen Verdienst daran, auch im Hinblick auf die Gegenwart und Zukunft. "Unsere Jugendlichen wissen vom Schicksal der jüdischen Gemeinde; sie wissen, welches Leid Diktaturen, Entrechtung und Verfolgung über die Menschen bringen", sagte Kapellen. Dieses Wissen sei wichtig, um antisemitischen und rassistischen Parolen zu wehren, und nicht von ungefähr gelinge in Laupheim aktuell ein friedliches Miteinander mit Flüchtlingen.

Sinn für Gerechtigkeit

Entscheidende Anstöße, sich des jüdischen Erbes zu entsinnen, gab seit den 60er-Jahren Rolf Emmerich (77). Der OB nannte ihn einen Pionier der deutsch-jüdischen Versöhnung, geleitet von einem unbeugsamen Sinn für Gerechtigkeit. Emmerich knüpfte Kontakte zu ehemaligen jüdischen Laupheimern und ihren Nachkommen; er pflegte Korrespondenzen, recherchierte, hielt Vorträge, publizierte, bewahrte und edierte kostbares jüdisches Liedgut und hat immer wieder durch die Schilderung von Einzelschicksalen den Opfern Gesicht und Namen gegeben. Unvergessen sein Einsatz für das Museum zur Geschichte von Christen und Juden; zahlreiche Exponate haben dank seiner Verbindungen den Weg in die Dauerausstellung gefunden. 2012 erhielt der langjährige Stadt- und Kreisrat der SPD den renommierten German Jewish History Award der Obermayer-Stiftung.

Glücksfall für die Stadt

Als einen Glücksfall für die Stadt bezeichnete Rainer Kapellen das Wirken des promovierten Juristen Yitzhak Heinrich Steiner (84): "Ohne ihn wären viele Schätze der Erinnerung für immer verloren." Großzügige Schenkungen aus dem Familiennachlass seien ihm zu danken. Steiner sei ein Brückenbauer zwischen Deutschland und Israel, der für Austausch, Toleranz und gegenseitige Achtung stehe. Der Erhalt des ehemaligen Leichenhauses am jüdischen Friedhof war ihm ein Herzensanliegen, für das er Spenden sammelte. Als das Haus 2014 als Gedenk- und Dokumentationsstätte eröffnet wurde, bekannte der 1931 in Laupheim Geborene: "Die Erinnerung an die Wurzeln lässt sich nicht auslöschen, durch kein Regime und keine Missetat.

"In seiner Dankrede sagte Steiner, vor Kurzem mit dem Goldenen Laubü der Laupheimer Bürgerstiftung ausgezeichnet, "dass ich nicht allein hier stehe, sondern als Vertreter vieler Generationen meiner Familie, die hier gewirkt haben". Nach der dunklen Periode der deutschen Geschichte habe man sich wieder auf humanitäre Werte besonnen - "so hat jedes Schlechte etwas Gutes". Er selbst fühle sich "sozusagen als Laupheimer ,Weltbürger'", sagte Steiner - "nach fast 30 Jahren in der Schweiz und 50 Jahren in Israel hat meine Verbindung zu Laupheim eine neue Dimension erhalten, die vom Beschluss des Gemeinderats, mich zu ehren, bekräftigt worden ist. Das berührt mich sehr."

Rolf Emmerich blendete in seiner Dankrede zurück in den Frühsommer 1965, als seine Familie aus Hessen kommend in Laupheim eintraf. Damals wäre es ihnen unvorstellbar gewesen, "dass wir hier so heimisch und verwurzelt werden könnten". In den 70er-Jahren habe er bewegende Begegnungen mit jüdischen Laupheimern gehabt, darunter Heinrich Steiners Vater Helmut - "er hat mich immer ermutigt, noch mehr aus der Geschichte aufzuspüren". Oft sei er gefragt worden, warum er sich so stark ehrenamtlich engagiere. "Weil ich Projekte bewegen konnte, die mir wichtig waren und sind", erklärte Emmerich und nannte beispielhaft die Einrichtung des CTA-Kollegs an der Kilian-von-Steiner-Schule 1985 und des Museums. Es sei ein großes Glück für ihn, dass seine Frau Hedwig und die Familie ihn stets bei seinem Tun unterstützten.

Ein besonderes Souvenir nimmt Yitzhak Heinrich Steiner mit nach Israel: Beim Festakt im Kulturhaus überreichte OB Rainer Kapellen dem neuen Bürgermedaillenträger ein Ortsschild seiner Geburtsstadt Laupheim, das seit der Erhebung zur Großen Kreisstadt ausgedient hat.

Musikalisch gestaltet hat den Festakt der Laupheimer Singkreis unter der Leitung von Ludwig Schwedes. Zum Auftakt erklang "Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte" von Louis Lewandowski; das Stück gehörte zum Repertoire des Laupheimer Synagogenchors. Zwischen den Dankreden intonierte der Singkreis "Psalm 114: Als Israel aus Ägypten zog", aus den kantoralen Gesängen von Moritz Henle.

Erstmals sind mit der Bürgermedaille Anstecknadeln in Silber vergeben worden. Der OB heftete sie Rolf Emmerich und Yitzhak Heinrich Steiner ans Revers. Die anderen aktuellen Bürgermedaillenträger bekommen den Anstecker nachträglich; fünf von ihnen - Wilfried Reuder, Fidelis Braig, Theo Miller, Ludwig Schwedes und Hans-Peter Rieger - durften die Nadel gleich am Sonntag in Empfang nehmen. Die Ehrenbürgerin Brigitte Angele trägt künftig den Anstecker in Gold.

 

 

 

 

Wir gratulieren unseren Mitgliedern

Herrn Dr. Yitzhak Heinrich Steiner

und

Herrn Rolf Emmerich

herzlich zur Verleihung der Bürgermedaille der Stadt Laupheim!


   
   
   


 

 

 

Von Roland Ray 29. January 2016
Ausstellung im Schloss über Fritz Bauer, Ankläger im Frankfurter Auschwitz-Prozess
Es ging ihm um die Würde der Opfer
Laupheim - Fritz Bauer hat als hessischer Generalstaatsanwalt den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963 auf den Weg gebracht. Die am Mittwoch eröffnete Sonderausstellung im Schloss Großlaupheim dokumentiert seine Lebensgeschichte und erzählt von einem Verfolgten des Nazi-Regimes, dem die Würde des Menschen oberstes Gebot war.
Bauer wurde 1903 in eine jüdische Familie in Stuttgart geboren, sein Vater betrieb einen Textilwarenhandel. Der Sohn studierte Jura und Wirtschaftswissenschaft und zählte zu den jüngsten Amtsrichtern. 1920 trat er der SPD bei, politisch prägte ihn seine Freundschaft mit dem späteren Parteivorsitzenden Kurt Schumacher.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, verlor Bauer sein Amt. Er wurde über Monate inhaftiert. 1936 ging er ins dänische Exil, fristete als Journalist und Handelsvertreter sein Dasein, als politischer Flüchtling anerkannt, wegen seiner Homosexualität von der Polizei observiert, staatenlos. 1943 rettete er sich auf einem winzigen Fischerboot übers Meer nach Schweden. In einem Interview - etliche Video- und Audio-Einspieler in der Ausstellung bringen uns Bauer ganz nah - erzählt er von dieser Flucht. Der Hörer hat unweigerlich Bilder von den aktuellen Dramen im Mittelmeer vor Augen.
1949 kehrte Bauer nach Deutschland zurück, fasste Fuß am Landgericht Braunschweig. Wie schon vor dem Krieg profilierte er sich als Strafrechtsreformer, der auf Resozialisierung setzte. Und es leitete ihn die Überzeugung, dass eine demokratische Zukunft davon abhängen würde, ob sich die Deutschen den im Namen des NS-Regimes verübten Verbrechen stellten.
Für eine Aufarbeitung des Unrechts war in der jungen Bundesrepublik erst einmal kein Platz. Geschmeidig gliederten sich ehemalige Nazis in die Gesellschaft ein und gelangten bis in hohe Ämter; moralische Haltungen, die NS-Verbrechen ermöglicht hatten, wirkten fort. Fritz Bauer, seit 1956 Generalstaatsanwalt in Hessen und nach eigenen Worten ein atheistischer Humanist, hat das ebenso wenig angefochten wie stetige Drohungen und Beschimpfungen. Er machte 1963 in Frankfurt 22 Angeklagten den Prozess. 211 Auschwitz-Überlebende sagten als Zeugen aus. Auch wenn die Strafen ob der damals herrschenden Rechtsauffassung, dass jede einzelne Tat präzise nachzuweisen sei, milde ausfielen - der organisierte Massenmord war mit diesem Prozess "unleugbar festgestellt und dokumentiert", heißt es im Begleittext der Ausstellung. Bauer hatte Rechtsgeschichte geschrieben, die öffentliche Aus- einandersetzung mit der braunen Vergangenheit kam in Gang.
Gerichtstag der Deutschen
Bauer habe nicht aus Rache gehandelt, sagte Fritz Backhaus vom Jüdischen Museum Frankfurt, das die Ausstellung zusammen mit dem Fritz-Bauer-Institut erarbeitet hat, anlässlich der Eröffnung: "Es ging ihm um die Würde der Opfer und darum, dass ihre Geschichte gehört würde." Und darum, den Staat als Schützer der Menschenwürde in die Pflicht zu nehmen, wie Monika Boll, Kuratorin der Ausstellung, hervorhob: Ein Staat, der richtet, darf selber die Grenzen nicht überschreiten. Nicht zuletzt zielte der Moralist Bauer auf politische Aufklärung; der Auschwitz-Prozess sollte gleichsam eine Art Gerichtstag der Deutschen über sich selbst sein.
Fritz Bauer starb 1968 in seiner Badewanne. Die Rechtsmedizin konstatierte einen Unglücksfall.
Die Ausstellung "Fritz Bauer - Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht" ist bis 28. März im Museum zur Geschichte von Christen und Juden zu sehen. Die Öffnungszeiten: Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr. Führungen für Gruppen nach Voranmeldung (Telefon 07392/968000) auch außerhalb dieser Zeiten. Öffentliche Führungen gibt es am 31. Januar, 14. und 28. Februar, 13. und 28. März, jeweils 14 Uhr.
"Erinnerung darf nie enden"
Laupheim - Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist die Fritz-Bauer-Ausstellung im Schloss Großlaupheim eröffnet worden. Der Kulturhaussaal war gefüllt. "Das spricht für die Arbeit unseres Museums", sagte OB Rainer Kapellen in seiner Begrüßung.In der Ära Adenauer hätten die Deutschen über die Geschehnisse im "Dritten Reich" vorzugsweise geschwiegen, sagte Kapellen - "es brauchte einen Erschütterer wie Fritz Bauer, um die Aufarbeitung in Gang zu bringen. "Erinnerung darf nie enden", betonte Kapellen. Das Gedenken an die Opfer müsse zur Wachsamkeit mahnen. Gefordert sei eines Form des Erinnerns, "die in die Zukunft gerichtet ist"."Für Fritz Bauer stand das Politische immer im Vordergrund", sagte Matthias Schönwald, pädagogischer Leiter des Museums zur Geschichte von Christen und Juden. "Wichtig war ihm, dem Humanisten, aufzuklären."Bei der Gedenkstunde im Kulturhaus spielten fünf Streicherinnen vom Carl-Laemmle-Gymnasium. Sie begannen mit Musik aus dem Film "Schindlers Liste".

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

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