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Erinnerung an

Ernst Schäll

18.Mai 1927 

28. Oktober 2010

 

Letzte Aufnahme von Ernst Schäll im Sommer 2010

 

Am 18. Mai 1927 wurde Ernst Schäll in Laupheim geboren. Seine Eltern hatten eine Schneiderei in der Ulmer-Straße.

Zum Kundenstamm der Schälls zählten auch zahlreiche Bürger aus der ehemaligen jüdischen Gemeinde. Durch Hausbesuche mit seinem Vater und Botengänge, die er als Kind ausführen musste, waren ihm viele jüdische Familien bekannt.

Als der Antisemitismus immer mehr Zustimmung fand, distanzierten sich seine Eltern deutlich von den Nazis. Seinen Eltern waren die Nazis immer unsympathisch, und an der Hitlerjugend fand auch er keinen Gefallen. Später äußerte er oft, dass ihn die Einstellung seiner Eltern zeitlebens geprägt habe.

Nach seiner Schulzeit in Laupheim machte er eine Lehre zum Maschinenschlosser bei der Firma Leitz in Burgrieden. Im ehemaligen Steigerwerk war dort ein Rüstungsbetrieb eingerichtet worden, wo auch Lehrlinge ausgebildet wurden. 

In den letzten Kriegstagen wurde er noch zum Militär eingezogen und geriet dann gleich in Gefangenschaft. Sein drei Jahre älterer Bruder Paul ist im Krieg getötet worden. Über seine Kriegserlebnisse sprach Ernst Schäll nie.

In der Nachkriegszeit war Ernst Schäll bei der Firma Lindenmaier beschäftigt, wo er bis zu seiner Pensionierung den Geschäftsbereich Maschinenbau leitete.

Mit seiner Frau Johanna, die aus Mietingen stammte, war er mehr als 50 Jahre verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Paul, Claudia und Roland. Johanna Schäll verstarb im Jahr 2006. 

Schon früh beschäftigte sich Ernst Schäll mit der Kunst und Kunstgeschichte, sowie mit sakraler Kunst. Dabei lernte erden Salvatorianerpater Ivo Schaible, der aus Baustetten stammte kennen. Pater Ivo Schaible war ein angesehener Künstler und besonders im sakralen Bereich tätig. Er schuf sakrale Gegenstände, Plastiken und Kirchenfenster, wie großflächige Mosaike und Reliefs. 

Sein Können erkannte Ernst Schäll schon früh, und würdigte in mehreren Veröffentlichungen sein Werk.

Durch seine intensive Beschäftigung mit der Kunst entdeckte Ernst Schäll den vergessenen Laupheimer Designer, Kunstlehrer, Jugendstil- und Art-Deco-Künstler Professor Friedrich Adler. Mit seiner Biografie beschäftigte sich Ernst Schäll jahrzehntelang. 

Viele Freundschaften zu Verwandten der Familie Adler und Kontakte zu Künstlern entwickelten sich hieraus. Es ist Ernst Schäll zu verdanken, dass 1994/95 eine große Ausstellung zu Friedrich Adler in Laupheim Hamburg, Nürnberg, München und Chicago gezeigt werden konnte. 

Viele Exponate von Friedrich Adler konnten auf Initiative von Ernst Schäll für das Museum erworben werden, und sind nun wichtige Bestandteile der Dauerausstellung.

Die zahlreichen Kontakte, die Schäll seit seiner Kindheit und Jugend zu jüdischen Familien hatte, pflegte er bis ins hohe Alter. Eine besonders intensive Freundschaft verband ihn mit Schalom Ben Chorin, dem großen Religionsphilosophen und Vermittler zwischen Judentum und Christentum.

Neben einer ausführlichen Friedrich Adler- Biografie veröffentliche Schäll Artikel unter anderem über die Künstlerfamilie Hops, den Altarbauer Winter aus Biberach, sowie den Laupheimer Künstler Gabriel Lämmle, der Gipsreliefs für die Kreuzwegstationen an der Laupheimer Sankt-Leonhardskapelle geschaffen hatte. Auch mit anderen Künstlern aus der Region und deren Werken befasste sich Ernst Schäll.

Über Carl Laemmle, Filmpionier und Gründer der Universal-Studios in Hollywood, verfasste Ernst Schäll den ersten Artikel und trug zur später intensiveren Aufarbeitung bei.

Unvergessen bleibt seine Arbeit auf dem Laupheimer jüdischen Friedhof:

Kurz vor Beginn seines Ruhestands begann er zunächst damit, diesen mithilfe der Stadtgärtner wieder zugänglich zu machen und sich Kenntnisse in der Steinrestaurierung anzueignen, was dann zu seiner größten Aufgabe wurde. Im Lauf der Jahre entwickelte sich Ernst Schäll zu einem gefragten Restaurator.

Im Sommerhalbjahr war Ernst Schäll morgens täglich im jüdischen Friedhof anzutreffen. Wer mit ihm auf dem jüdischen Friedhof war, kann diesen Besuch nicht mehr vergessen. Er schaffte es, die stummen Zeugen der Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Über viele Familien konnte er spannende Anekdoten erzählen oder ihre Verwandtschaftsverhältnisse erklären.

Den Nachmittag verbrachte Ernst Schäll meist an seinem Schreibtisch, wo er all seine Aufsätze und Korrespondenzen verfasste, stets handschriftlich, denn Schreibmaschine oder Computer wollte er nicht benützen.

Ich lernte Ernst Schäll als Mitglied des Heimatmuseumskuratoriums im Jahre 1988 kennen.

In der Runde von Josef Braun, Josef Sommer, Helmuth und Wolfgang Pysik und anderen bat er mich gelegentlich um Mithilfe im jüdischen Friedhof für die schweren Arbeiten des Auf- und Abbauens der Grabsteine, sowie um Handreichungen in der Friedhofswerkstatt.

Hier konnte ich auch im Lauf der Jahre seine sorgfältigen Restaurierungen beobachten und seine Arbeitsmethoden kennen lernen.

Nach einem Schlaganfall im Jahre 2004 konnte Ernst Schäll die Restaurierungsarbeit auf dem Jüdischen Friedhof nicht mehr fortsetzten. Im Jahre 2005 bin ich bei der Friedhofsbetreuung in seine Fußstapfen getreten.

Im Jahr 1996 initiierte er die Gründung eines Vereins, der sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Laupheimer jüdischen Gemeinde beschäftigte, der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken e. V., die seither zahlreiche Veröffentlichungen herausgegeben hat und das Laupheimer Museum durch Führungen und Veranstaltungen unterstützt. 

Auch die Entstehung und Gestaltung dieses Museum hat Ernst Schäll maßgeblich geprägt. Er galt allen Gestaltern als ein hochkompetenter Ansprechpartner und Berater.

Ernst Schäll erhielt für seine Verdienste:

1985 die Auszeichnung für "Vorbildliche kommunale Bürgeraktionen", überreicht Ministerpräsidenten Lothar Späth.

1988 das Bundesverdienstkreuz.

1997 Bürgermedaille der Stadt Laupheim.

1997 den Ehrenamtspreis des Landkreises Biberach. 

2000 die Stauffer-Medaille des Land Baden-Württemberg.

2007 anlässlich seines 80. Geburtstag die Ehrenbürgerwürde Stadt Laupheim.

2009 den Obermayer German Jewish History-Award. 

Ernst Schäll war ein Vorbild für Moral und Ehrlichkeit. Die Kriegsberichte anderer waren ihm immer unsympathisch. Er verabscheute zutiefst die Gewalt und war sein Leben lang schockiert über das Leid, das man seinen lieben jüdischen Nachbarn angetan hatte. Er konnte es nicht akzeptieren, wenn man die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte verharmloste

Sein aufrichtiger Charakter beeindruckte viele.

Ernst Schäll ist eine Persönlichkeit, die allen, die ihn gekannt haben, unvergessen bleiben wird.

 

Michael Schick  

 

 

* * * 

 

Veröffentlichungen von Ernst Schäll:

 

1979

Ein bedeutender Künstler und seine Nachkommen. Die Bildhauerfamilie Hops. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach. 

 

Das Deckengemälde in der Maselheimer Kirche. Ein Werk Karl Caspars (1879-1956).

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach. . 

 

1981

Pater Professor Ivo Schaible – Ordensmann und Schöpfer bedeutender sakraler Kunstwerke. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.. 

 

Friedrich Adler (1878-1942). Ein Künstler aus Laupheim 

Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (32/1981/1/046)

 

1984

Der Bildhauer Josef von Kopf (1827-1903). Einst hochgerühmt, heute fast vergessen. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

1985

Gedenktafel für die Opfer der Judenverfolgung in Laupheim. 

Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (36/1985/2/078)

 

1987

"Die Vita- ein Leben als Künstler", in dem Buch Ivo Schaible- der Künstler und sein Werk. 

Buch, 60 Seiten, ISBN 3-9800-646-1-1 

 

Hans Morinck und sein Auferstehungsrelief in der Kirche zu Bußmannshausen. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach. 

 

1988

Ein Deutsch-Römer aus Oberschwaben – Der Bildhauer Josef von Kopf.

Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (39/1988/4/346)

 

1989

Carl Laemmle. Ein Lebensweg von Laupheim nach Hollywood. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach. 

 

1991

Der Heimat- und Mundartdichter Karl Dilger.

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

Professor P. Ivo Schaibles Kirchenfenster in Oberschwaben und im fernen Lateinamerika. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

Friedrich Adler – das Geburtshaus des Künstlers in Laupheim ist renoviert.

 Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (42/1991/4/314)

 

1992

Schalom Ben Chorin. Die Vorfahren des großen Religionsphilosophen kommen aus Laupheim. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

1993

Die verheerende Brandkatastrophe im Kloster Heggbach. Persönliche Aufzeichnung des Laupheimer Chronisten August Schenzinger über das Geschehen vor hundert Jahren. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

Kilian von Steiner; Bankier und Industrieller, Mäzen und Humanist. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" und in der "Schwäbischen-Heimat" (44/1993/1/004)

 

1994

Friedrich Adler, zwischen Jugendstil und Art Deco

Mitarbeit beim Ausstellungskatalog, 446 Seiten, ISBN 3-925369-34-1 

 

1996

Karl Schlecht Metallkunst.

Bildband.

 

Der jüdische Friedhof in Laupheim 

Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (47/1996/4/404)

 

1998 

Der jüdische Friedhof Laupheim

Dokumentation über den jüdischen Friedhof in Zusammenarbeit mit Nathania Hüttenmeister. 600 Seiten, ISBN 3-00-003527-3

Deutsche Soldaten jüdischen Glaubens aus einer württembergischen Kleinstadt.

Veröffentlicht in der Zeitschrift "Schwäbischen-Heimat" (49/1998/4/433)

 

1999

Kreuzweg und Ölbergkapelle bei St. Leonhard in Laupheim. Ein Werk von Gabriel Lämmle.

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC"der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach  und im Jahresheft der GGG.

 

2000

Altarbauer im 19. Jahrhundert, Die Werkstatt Winter in Biberach.

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach.

 

2002

Deutsche Soldaten jüdischen Glaubens aus einer württembergischen Kleinstadt. 

Veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern "BC" der Gesellschaft für Heimatpflege in Biberach und im Jahresheft der GGG.

 

2004

Friedrich Adler, Leben und Werk. 

Buch, 136 Seiten, ISBN 3-925171-58-4, Federsee-Verlag.

 

 

 

Foto: Roland Ray, Schwäbische Zeitung Laupheim, 2001 

Ernst Schäll bei einer Ausstellungseröffnung im Ulmer Stadthaus, neben der Kopie eines Grabsteines von Friedrich Adler.  

 

Zu Ehren seines 80. Geburtstages und der Ehrenbürgerschaft wurde Ernst Schäll zu einem gemeinsamen Essen im Roten Ochsen von der GGG eingeladen.

 

Ernst Schäll bei der Arbeit an einem Grabstein.

 

 

Ministerpräsident Lothar Späth überreicht Ernst Schäll mit Wolfgang Pysik die Auszeichnung für "Vorbildliche kommunale Bürgeraktion". 

 

Ernst Schäll und Michael Schick

 

Ernst Schäll bei einer Führung vor dem Friedhof.  

 

Ernst Schäll und Dr. Yitzhak Heinrich Steiner. Bei der Einweihung der Wasserstelle im Jüdischen Friedhof.

 

Bürgermeisterin Monika Sitter überreicht Ernst Schäll die Urkunde zur Ehrenbürgerschaft.

 

 

Laupheimer Ehrenbürger Otmar Schick beglückwünscht Ernst Schäll zum neuen Ehrenbürger.

 

Ernst Schäll mit dem Obermayer German Jewish History-Award.

 

Jugendfreunde: Prof. Ernst Bergmann und Ernst Schäll.

 

Ernst Schäll bei der Buchtaufe seines Buches "Friedrich Adler,  Leben und Werk".

Ernst Schäll signiert seine Buch "Friedrich Adler,  Leben und Werk".

* * *

Trauergottesdienst am Mittwoch den 03. November 2010 

Im Gedenken an Ernst Schäll hielt Hermann Müller, Pfarrer der evangelischen Kirche Laupheim, in der Sankt-Leonhardtskapelle einen sehr bewegenden Trauergottesdienst, und fand dabei für die Familienangehörigen und die vielen Trauergäste einfühlsame Worte des Trosts.

 

Pfarrer Hermann Müller

Mehrmals ging er in seiner Ansprache auf das Schicksal der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Laupheim ein, sowie auf den Reichtum an Symbolen für das Leben, denen man, dank der Restaurierungsarbeiten von Ernst Schäll, noch immer auf dem hiesigen Friedhof begegnen könne. Als Beispiele nannte er die segnenden Priesterhände, das Schofarhorn und die Krone des guten Namens..

Außerdem schilderte Müller den beruflichen und persönlichen Werdegang von Ernst Schäll und würdigte dabei seine herausragenden Verdienste für Laupheim und für das Erinnern an die ehemaligen jüdischen Mitbürger der Stadt.

Ebenso wie die folgenden Nachrufe hob er seine Vorbildfunktion hervor und nannte Ernst Schäll einen „vorbildlichen Lehrer des Erinnerns“.

 

Beerdigung von Ernst SCHÄLL

Orgelvorspiel und Eingangsgruß

Im Namen Gottes des Vaters und des

Sohnes und des Heiligen Geistes. AMEN.

Werte Trauer-Gemeinde!

Zum Gedenken an Ernst SCHÄLL sind wir heute in der Kirche versammelt.

Familie und Freunde sind hergekommen. Aus Vereinen, Kirchengemeinden und aus der Bürgerschaft Laupheims sind viel da, um  Abschied zu nehmen von einem verdienstvollen Mann unserer Stadt, der uns zugleich ein so liebenswerter Mitmensch war.

Wir tragen von Herzen Trauer um ihn und wir stehen in der Hoffnung beisammen, dass Vergangenes unserem Erinnern doch noch lange Zeit erhalten bleiben möge; und dass erfahrene Freude und Gemeinschaft mit ihm noch viele gute Früchte bringen werde. Im Aufsehen auf den Ewigen wollen wir unseren Verstorbenen zur letzten Ruhestätte begleiten im Vertrauen auf die Worte des Psalms, wo es heißt: „Die Gnade des HErrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.“

 

Lesung des 121. Psalms

Gebet 

Treuer Gott, lass uns in der Stunde des Abschieds von Ernst SCHÄLL auf Dich und Deine große Güte vertrauen.  Wir Menschen haben nicht viel zu bringen außer unserer Sehnsucht, dass bei Dir unser Leben ein Ziel findet und dass Du selbst der Friede bist für uns und unsere Lieben.

So bitten wir in Demut, komm nun in unsere Mitte in Deinem Trost. Halte Deine bewahrende Hand über alle, die Trauer tragen und die niedergeschlagen sind in dieser Zeit des Abschieds.

Nimm Du unser Fragen auf, wende Schuld in Vergebung und lass die Saat Deines Wortes der Liebe unter uns aufgehen.

Dies bitten wir im Namen unseres Herrn Jesus Christus, Deines lieben Sohnes, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert heute und allezeit. AMEN

 

Lied 66,1.2.8 Befiehl du deine Wege...

 

Vita

Ernst SCHÄLL wurde am 18. März 1927 in Laupheim geboren. Die Eltern hatten in der Ulmerstraße eine Schneiderwerkstatt, die der Vater als Meister mit Umsicht und Fleiß betrieb. Von den Kindern blieben den Eltern 2 Söhne;  der drei Jahre ältere Paul kam im Krieg ums Leben. Ernst ging in Laupheim zur Schule und kam am 30. März 1941 zur Konfirmation. Nach der Schulzeit begann Ernst in Burgrieden eine Lehre als Maschinenschlosser. Später arbeitete er bis zur Rente bei der Firma Lindenmaier in Untersulmetingen. Ernst SCHÄLL war ein ‚schaffiger‘ Mensch. Er arbeitete viel und gerne. Er hat vieles selbst gemacht. Als Leiter des Sondermaschinenbaus war er in der Firma Lindenmaier zuletzt eingesetzt. Eine Aufgabe, die man gewiss nicht jedem übertragen würde.

Im Lebenslauf folgt bald die Heirat von Ernst und Johanna Schäll geb. Wieland. Drei Kinder wurden den Eheleuten geschenkt: Paul, Claudia und Roland. Drei Enkelkinder ließen die Familie anwachsen. Sie waren dem Großvater natürlich stets besonders wichtig.

Am 9. Mai 2006 verstarb Johanna Schäll. Das war für den Ehemann ein schwerer Einschnitt. Von den Kindern wurde er fortan treu umsorgt, so dass er bis zuletzt in seinem Haus im Klausenteich leben konnte.

Ernst SCHÄLLs Leben ist untrennbar verbunden mit der intensiven Beschäftigung mit der Geschichte seiner Heimatstadt. Und was er einmal anging, das machte er dann 100%-ig. Das bestätigte man mir das in freudigem Unterton.

Jüdisches Leben in Laupheim, Wahrung durch Kontakte in alle Welt, Erhaltung des Gebliebenen und sorgsames Gedenken, das waren wichtige Anliegen von Ernst SCHÄLL. Dafür trat er beherzt ein und daran lag ihm ganz gewiss. All das geschah in intensiver Zusammenarbeit mit Menschen an seiner

Seite, die sein wichtiges Anliegen mit trugen und gleichfalls teilten.

Ernst SCHÄLL befasste sich in herausragender Weise mit der Erhaltung des jüdischen Friedhofs der Stadt. Er schuf in seinen Arbeiten Lebensbilder von namhaften Persönlichkeiten: Friedrich Adler etwa - um nur ein Beispiel zu nennen. Wohlverdiente Ehrungen und zahlreiche Auszeichnungen wurden Ernst SCHÄLL für all das zuteil.

Ich freue mich, dass nachher in Nachrufen sicher dazu noch manches gesagt werden wird.

Freilich, jeder von uns weiß, dass die Schaffenskraft eines so aktiven Menschen zuletzt doch auch einmal zur Neige gehen muss. Ein Schlaganfall mit Folgen beeinträchtigte Ernst SCHÄLL mehr und mehr. Eine Operation, Krankenhausaufenthalte und Reha-Maßnahmen halfen - aber letztlich kam doch keine grundlegende Besserung mehr zustande. Treu umsorgt und gepflegt von Pflegedienst und von seinen Kindern schloss Ernst SCHÄLL am 28.10. vergangenen Donnerstag für immer die Augen. Wir tragen Trauer um ihn. Gottes Güte möge ihn in Liebe umfangen. 

AMEN

 

Ansprache

Liebe Trauergemeinde!

Heute gedenken wir eines Menschen, der uns ein Lehrer des Gedenkens geworden ist:  Ernst SCHÄLL.

Sein Engagement um den Erhalt des jüdischen Friedhofs in Laupheim, seine Arbeit an so vielen Stellen haben ihn zum Vorbild werden lassen, zum wirklich guten Beispiel für alle. Dabei ist das Erinnern und Gedenken ein Tun, das auf den Ewigen selbst hinweist. Psalm 103 heißt es:

„Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

Denn er weiß was für Gebilde wir sind. Er gedenkt daran, dass wir Staub sind.“

Dass der Ewige die Seinen nicht vergisst, das ist menschlich gesagt‚ unsere Rettung.‘

Sein Gedenken bewahrt das Leben über Zeit und Stunde hinaus. Gedenken ist da mit einem freundlichen Grundton verbunden! Eben wie sich ein Vater über Kinder erbarmt. So kommt es, ,...dass die Gnade währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die Gott fürchten.‘

Wir dürfen darin hören: Dass dem Ewigen seine Menschenkinder am Herzen liegen, das ist wie eine offene Tür zum Leben auch über den Tod hinaus. Gott sei Dank ruft Er Menschen beim Namen und sagt: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind!“  Bewahrt bleiben,  - das geschieht in Gottes Erinnern.

Was bleibt - das kann ja auch ganz anders aussehen und zur quälenden Frage werden.

Sie konfrontiert mit dem dunklen Nichts! Robert Littell schildet das in seinem Roman

‚Das Stalin Epigramm‘ (Könnte auch Hitlers Epigramm heißen). Da fragt sich der Diktator in beklemmender Einsamkeit, was wohl von ihm bleiben werde. Die Angst macht ihm bewusst: 

Die ganze verordnete Zwangsverehrung wird das Vergehen nicht aufhalten. Dass Traktorenwerke, Städte und Alleen seinen Namen tragen, wird die Zeit wegwischen. 

Darum haben Diktatoren immer versucht, sich einen Namen zu machen und sie haben dabei die Welt mit einer Spur von Elend und heillosem Unrecht überzogen.

Was aber bleibt?

 

Ernst SCHÄLL hat nachhaltig und liebevoll daran gearbeitet, dass Menschen unserer kleinen Stadt ihren Namen behalten und nicht dem Vergessen preis gegeben werden. Geschehens Unrecht sollte nicht auch noch im Nachhinein die Oberhand behalten. Darum das Engagement für den Friedhof.

Zeichen des guten Erinnerns haben ihn da umgeben. Sie, liebe Trauernde, sehen Ernst SCHÄLL sicher auch noch vor sich bei der Arbeit auf dem Judenberg. Morgens konnte man ihn  am ehesten antreffen. Da stand Ernst SCHÄLL zwischen den Grabsteinen, den Zeichen des Erinnern, deren Erhalt ihm so am Herzen lag. Lebenszeichen kann ein Betrachter dort finden: 

 

1. Segnende Hände sind da etwa zu erkennen.

Sie haben in ihrer Geschichte eine eigene Bedeutung. Bezeichnung der Familienzugehörigkeit zu Aaron sind sie zunächst.

Dann aber sehe ich darin auch ein Zeichen des Segens, das den stillen Betrachter im Herzen anrührt und damit gewiss auch verändert. Wenn jemand immer wieder dieses Zeichen der Gnade des Ewigen vor Augen hat, dann wird er sich diesen Segen selbst auch zu Herzen nehmen.

Ja, und die eigenen Hände werden bereit, das Rechte und Naheliegende auch zu tun. Es konnte ja nicht nur eine Sache der Theorie bleiben. Was Ernst SCHÄLL anpackte, das sollte  eine runde und ganze Sache werden.

Das Lebenszeichen, der segnenden Hände bleibt nicht ohne Folgen.

 

 2. Dann ist da noch ein Lebenszeichen  -  die Schofar.

Das Widderhorn ist auf den Grabsteinen drüben ebenfalls immer wieder gut erkennbar.

Auch die Schofar hat ihre eigene Aussagekraft im Blick auf die Familie des Verstorbenen, der da begraben liegt; auch im Hinblick auf den Gottesdienst - etwa zu Rosch Haschana.

Doch zugleich ist die Schofar immer auch das Instrument der Mahnung und des Rufes zur Umkehr.

Und wer sich das bewusst macht, der kann erkennen: Auch das hatte seine Auswirkungen. Ernst SCHÄLL war selbst so ein Rufer auf den Weg des rechten Erinnerns und guten Gedenkens. Das war er viele Jahre lang. Ich selbst weiß noch gut, wie ich 1988 mit einer Jugendgruppe hierher nach Laupheim gekommen bin. Schon damals waren junge Menschen von Ernst SCHÄLL tief beeindruckt.

Im Zeichen der Schofar - der Ruf der uns gilt.

 

Und schließlich noch ein Letztes: 3. von der Krone des guten Namens

Einige der Grabsteine drüben tragen eine kleine Krone aus Stein gehauen.

Es ist das Zeichen dafür, dass da jemand in Frieden ruht, der hochgeachtet war im Kreis der Gemeinde. Treue Menschen sind das gewesen, die dem Anliegen der jüdischen Gemeinde zugearbeitet haben. Personen, die eingestanden sind für die Interessen der kleinen Gemeinschaft und die damit viel Gutes bewirkten.

Nun steht es mir ja nicht zu, solche Würdigungen anzuregen - oder zu benennen.

Dennoch möchte ich heute mit anderen aus Laupheim Gott darum bitten, dass Ernst SCHÄLL unter der Krone des guten Namens bewahrt bleiben möge. Wir gedenken bei ihm ja eines Menschen,

der uns ein Lehrer des Gedenkens geworden ist. Wir wollen darum dafür beten, dass der Ewige seiner gedenke und ihm aus seiner großen Güte heraus Ruhe und Frieden schenken möge. AMEN

 

Lied 30,1-3.6 ‚Ach bleib mit deiner Gnade…‘

 

* * *

Redner: Rainer Kapellen, Bürgermeister

 

Trauerrede zur Beerdigung von Ehrenbürger 

Ernst Schäll 

am 03.11.2010, 10:00 Uhr

 

Sehr geehrte, liebe Trauerfamilie Schäll, 

werte Trauergemeinde,

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

eine große Zahl von Angehörigen, Freunden, Weggefährten, Bürgerinnen und Bürgern ist heute hierher gekommen, um Abschied zu nehmen von Ernst Schäll. Aber auch, um ihm Respekt zu zollen, ihn zu würdigen und ihm Dank zu sagen für sein Lebenswerk.

Herr Schäll war ein Ur-Laupheimer.

Am 18. März 1927 hier geboren, hat er nach dem Besuch der Volksschule bei der Fa. Leitz in Burgrieden eine Mechanikerlehre absolviert und war ab 1947 langjähriger kreativer Techniker und Fertigungsleiter bei der Firma Lindenmaier.

Schon als Kind und Jugendlicher bekam er die Schrecken der jüngeren deutschen Geschichte hautnah und unmittelbar mit. 

Als Sohn eines Laupheimer Schneiders erlebte er, wie die Rassenpolitik der Nationalsozialisten der einst blühenden jüdischen Gemeinde seiner Heimatstadt den Garaus machte. 

Im Alter von nur 17 Jahren wurde Ernst Schäll noch in den letzten Kriegsmonaten zum Kriegsdienst eingezogen und geriet in Gefangenschaft.

Er wählte danach einen ganz  eigenen Weg, um das Gedenken an die jüdische Geschichte Laupheims wach zu halten. Er konnte und wollte nicht mit ansehen, wie die Grabsteine im jüdischen Friedhof zunehmend zerfielen und damit Gefahr liefen, der Erinnerung zu entschwinden. Mit ganzer Kraft und Herzblut hat sich Herr Schäll mit einem kleinen Kreis von Helfern bereits 1981 für die Erhaltung unserer wichtigen jüdischen Gedenkstätte ehrenamtlich engagiert, die nie endende und unverzichtbare Aufgabe angepackt, um die aus Sandstein bestehenden Grabmale vor der Verwitterung zu retten und sie der Nachwelt zu erhalten.

Ein Kampf gegen Windmühlen, eine Sisyphos-Arbeit wurde sein Engagement oft genannt. Fast zu groß schien die Aufgabe, die vom Zerfall bedrohten Grabsteine zu retten. Doch Stunde um Stunde seiner Freizeit, ein Stein nach dem anderen, insgesamt 120 Stück von den 960 noch erhaltenen Grabsteinen hat Ernst Schäll fachmännisch restauriert – stumme Zeugen der Geschichte, doch sehr aussagekräftige.

„Deutschland muss sich erinnern. Wir dürfen nie vergessen, was damals geschah. Der Schmerz der Menschen war so groß, dass die Erinnerung stets wach gehalten werden muss. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe.“ 

Diese, seine Aussage, war Lebensmotto und Leitmotiv von Herrn Schäll gleichermaßen.

Die unermüdliche Arbeit an den Grabsteinen ist sicher der augenfälligste Aspekt seines Wirkens, aber nicht der Einzige. Neben seiner Arbeit als Restaurator wirkte er gleichzeitig als profunder Heimatforscher, Kunstkenner und Autor.

So entstammt seiner Feder die Biografie des Ulmer Malers Robert Weber, 

-        die Forschungsarbeiten über die Mietinger Bildhauerfamilie Hops, 

-        den Maler Karl Casper aus Riedlingen, 

-        den Bildhauer Josef von Kopf aus Riedlingen 

-        sowie über unseren Ehrenbürger Prof. Pater Ivo Schaible aus Baustetten,

-        der Industriefamilie Steiner sowie seines Freundes Karl Schlecht. 

Dass er auch über die Geschichte des jüdischen Friedhofs in Laupheim schrieb, versteht sich fast von selbst.

Ein ganz zentrales Thema seiner langjährigen Forschung und Veröffentlichungen ist aber zweifellos der in Laupheim geborene Jugendstilkünstler Friedrich Adler. 

Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass er es war, der diesen herausragenden Künstler dem Vergessen entriss. Ihm ist es zu verdanken, dass Friedrich Adler, der 1942 von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde, uns heute dauernd präsent ist. Sei es als Namenspatron der Realschule, einer Straße oder als Thema eines Raumes in unserem so wichtigen Museum zur Geschichte von Christen und Juden.

Als ein Botschafter im besten Sinne für unsere Stadt hat Herr Ernst Schäll schon seit Jahrzehnten Kontakte zu einer großen Anzahl ehemaliger jüdischer Mitbürger und deren Familien geknüpft und damit unschätzbare Brücken gebaut.

„Man spürt nicht nur einen tiefen Sinn für Gerechtigkeit, sondern auch ein Gefühl der Verpflichtung, das von Herzen kommt“, so Anna Dorzback aus Kentucky über Ernst Schäll und weiter: „Ernst Schäll hat unseren Schmerz gefühlt, unser Leid, unseren Verlust und unsere Verletzungen – und er hat die Bedürfnisse gespürt, die damals erwuchsen, dass wir unsere Vorfahren zurücklassen mussten.“

Für sein stilles und dennoch unübersehbares verdienstvolles Handeln und Wirken und für seine Verdienste um das Gemeinwohl wurde Herrn Schäll am 07.12.1985 das Bundesverdienstkreuz und am 17.03.1997 die Bürgermedaille der Stadt Laupheim verliehen. 

Sein beispielgebendes Lebenswerk wurde mit der Verleihung des „Obermayer German Jewish History Awards“ im Jahre 2007 und zu seinem 80. Geburtstag das Ehrenbürgerrecht der Stadt Laupheim am 18.03.2007 gewürdigt.

Wenn wir ihn heute zu Grabe tragen, an die Seite seiner Frau Johanna legen, mit der er über 50 Jahre verheiratet war, verlieren wir mit ihm einen überaus engagierten und ehrwürdigen Mitbürger, der sich im hohen Maße um seine Heimatstadt und weit darüber hinaus verdient gemacht hat. 

Für die Stadt Laupheim, für alle Bürgerinnen und Bürger, für Gemeinderat und Verwaltung danke ich Herrn Ernst Schäll sehr herzlich für sein bürgerschaftliches Lebenswerk. Meine und unsere Anteilnahme gilt seinen Kindern mit Familien.

„Ich habe mein Ziel erreicht,“ sagte Ernst Schäll im Jahre 2007. „Das Wichtigste ist, dass ich mit meiner Arbeit die Erinnerung der Menschen wachgerufen habe.“

In diesem, seinem Sinne werden wir ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. In Dankbarkeit werden wir am Grabe einen Kranz niederlegen.

 

Rainer Kapellen, Bürgermeister

 

 

 

 

 

* * *

Redner: Rolf Emmerich, im Auftrag von Yitzhak Heinrich Steiner

 

Zum Gedenken an Ernst Schäll

In Dankbarkeit, aber mit Wehmut gedenken wir, die Nachkommen der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Laupheim, unseres Freundes und Betreuers Ernst Schäll, der uns jetzt für immer verlassen hat. 

Mit seiner gewissenhaften und nachhaltigen Arbeit auf unserem Friedhof hat er diese Stätte zu einem "Haus des Lebens" gemacht, das die Erinnerung an unsere Vorfahren wach hält und die Verbindung zu unserer früheren Heimat ermöglicht. 

In seiner stillen Art, aber aufrecht und zielbewusst hat er mit seinen Forschungen, Publikationen und der Restauration der alten Grabmäler bleibende Werte geschaffen, die uns für immer an ihn erinnern werden. Damit gehört er eigentlich zu den "Gerechten der Völker", die uneigennützig und mutig handelten, um Menschenleben zu retten. 

Unser letzter Gruss an ihn steht auf allen von ihm gepflegten jüdischen Gräbern in Laupheim: "Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund des Ewigen Lebens", Amen.

Yitzhak Heinrich Steiner, Re´ut (Israel)

Rolf Emmerich liest im Auftrag von Yitzhak Heinrich Steiner der Nachruf vor.

 

* * *

 

Redner: Elisabeth Lincke, Vorsitzende der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken

 

Nachruf anlässlich der Beerdigung von Ernst Schäll

 

Liebe Kinder und Enkelkinder von Ernst Schäll,

liebe Trauergemeinde,

Ihr und wir haben einen herausragenden Menschen verloren, der Euch und uns viel bedeutet und der viel bewegt hat.

Er war ein Mann, der einen geradlinigen Stil hatte und eine klare Sprache sprach. Er war ein liebenswürdiger, einfühlsamer, kunstsinniger Mann, gepflegt und von natürlichem Charme. Er hatte ein Herz für Kinder, er wird Euch/Ihnen als Vater und Opa sicher fehlen.

Wir trauern mit Euch um diesen feinen Menschen. 

Seine Geradlinigkeit, der Respekt vor anderen Meinungen und sein Einsatz für Gerechtigkeit waren Erziehungsergebnisse seiner Eltern. Die Ausgrenzung der jüdischen Kunden seines Vaters aus dem Gemeindeleben hatte den Jugendlicher sehr berührt.

Die deutliche Distanz seiner Eltern zum Nationalsozialismus war sicher einer der Gründe, weshalb er sich nach dem Krieg mit diesem Phänomen besonders intensiv beschäftigte.

Es zeichnet ihn besonders aus, dass er schon früh den Anstoß gab, diesen Teil der Laupheimer Lokalgeschichte aufzuarbeiten: So konnten in den 70er-jahren die Überlebenden der Laupheimer jüdischen Gemeinde noch – soweit sie dazu bereit waren- befragt werden und der fortschreitende Verfall des jüdischen Friedhofs ließ sich aufhalten. Ernst Schäll stand also mit seinem Wissen und seinem geschätzten Namen am Anfang von Projekten, die ich im Einzelnen gar nicht alle aufzählen kann. 

So gab er schon vor über 30 Jahren den Anstoß für die Schalomtage, für zahlreiche Gedenktafeln, für die Einladung an die ehemaligen Laupheimer -  50 Jahre nach der Zerstörung ihrer Synagoge, für die Einrichtung und Gestaltung des Museums zur Geschichte von Christen und Juden, für die Erforschung des Künstlers Friedrich Adler und vieler anderer Künstler. Er war es auch, der den  Impuls zur Gründung unserer Gesellschaft für Geschichte und Gedenken gab, für die ich hier spreche.

Ernst Schäll stand nicht nur als Ideengeber und Motor am Anfang vieler Projekte, sondern er verfolgte das einmal Angestoßene auch mit großem Nachdruck, mit Präsizion und unter Einsatz  eigener materieller Mittel. Er war gefragter Berater bei der Erarbeitung der Museumskonzeption und sein großes Archiv öffnete er Anderen immer bereitwillig für Recherchen oder Veröffentlichungen.

Am Eingang zum Jüdischen Friedhof steht der Spruch „Bestelle Dein Haus“ aus dem „Buch der Sprüche“ (Jesaja, 23) in deutscher und hebräischer Sprache. Ernst Schäll hat bei seinen Restaurierungsarbeiten in den Sommermonaten täglich unter diesem Spruch den Friedhof betreten.

Für mich kennzeichnet dieser Spruch in zweifacher Hinsicht das Leben und Lebenswerk von Ernst Schäll:

Sein Werk war, neben kunstgeschichtlichen Arbeiten - der lebenslangen Beschäftigung - mit der Geschichte der unserer ehemaligenjüdischen Gemeinde und der Arbeit an ihrem Andenken gewidmet. Im engen Zusammenhang hiermit stand seine sehr frühe und vielfältige Pflege von persönlichen Kontakten zu ehemaligen Laupheimern – vor mehr als 3 Jahrzehnten nichts Selbstverständliches.

Zum anderen war sich Ernst Schäll immer bewusst, dass mit mit dem Nachlassen seiner Arbeitskraft   die Beschäftigung mit diesem Teil der Laupheimer Geschichte nicht zu Ende gehen dürfe. Auch in diesem Sinne hat er „sein Haus bestellt“, indem er durch sein Wissen und sein Charisma Menschen dafür gewinnen konnte, das Erbe der jüdischen Gemeinde von Laupheim und somit sein Werk weiterzugeben. (Michael Schick führt –von ihm bereits früh eingearbeitet- seine Restaurierungsarbeiten auf dem Jüdischen Friedhof weiter) 

Die Gesellschaft für Geschichte und Gedenken verneigt sich in Respekt und Dankbarkeit vor ihm und seinem Werk. Ernst Schäll ist uns bleibende Verpflichtung, das von ihm begonnene Werk auch im Andenken an seine Persönlichkeit weiterzuführen. 

Elisabeth Lincke, Vorsitzende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Nachruf in der Schwäbischen Zeitung vom 29.10.2010

(LAUPHEIM/sz) Trauer um Ernst Schäll: Der Laupheimer Ehrenbürger ist nach längerer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben. Als Heimatforscher und Kunstkenner, Autor und Restaurator trug er maßgeblich dazu bei, die jüdische Geschichte der Stadt vor dem Vergessen zu bewahren.

Wer ihn im Sommerhalbjahr sprechen wollte, ging viele Jahre lang einfach vormittags auf den jüdischen Friedhof. Dort arbeitete Ernst Schäll, bis zur Pensionierung Produktionsleiter im Maschinenbau, fast täglich in seiner Garagen-Werkstatt. Mehr als 120 Grabsteine, verwittert und vom Zerfall bedroht, hat er restauriert und der Stadt lediglich Materialkosten in Rechnung gestellt. Das nötige Fachwissen eignete er sich selbst an. Von ihm konnten selbst Denkmalschutz-Profis noch etwas lernen.

Kunst und Geschichte – am „guten Ort“ waren Schälls Passionen eins. In den 1970er-Jahren wurde er auf den Jugendstilkünstler Friedrich Adler aufmerksam, der etliche Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof entwarf. Derart gründlich hat Schäll danach Leben und Werk des in Laupheim geborenen, 1942 in Auschwitz ermordeten Kunstprofessors recherchiert, dass er zu einem international gefragten Adler-Experten avancierte. Er konnte diese Arbeit 2004 mit der Publikation eines Adler-Buches krönen. Die Industriellenfamilie Steiner war ebenfalls Thema seiner Forschungen – und viele mehr. Unermüdlich hat er die Früchte seiner Studien öffentlich gemacht und über eine weit verzweigte Korrespondenz mit ehemaligen jüdischen Mitbürgern und deren Nachkommen Quellen und Erinnerungsstücke erschlossen, die er regelmäßig dem Museum zuführte.

Schäll war eine moralische Instanz. Die Glut in diesem bescheidenen Mann konnte Feuer sein, wenn es darum ging, die Erinnerung an die jüdische Gemeinde Laupheims und ihr leidvolles Ende wach zu halten und seine Mitmenschen zu sensibilisieren. Sein Gerechtigkeitssinn war ausgeprägt, sein Urteil über das, was gewesen, ungeschönt. Er wollte, „dass Lehren gezogen werden und so etwas nie wieder passiert“. Er mahnte und war um Versöhnung bemüht. Sein Engagement, vermutete Schäll, rühre wohl von seinem Elternhaus, das den Nationalsozialismus ablehnte. Im Schneideratelier des Vaters in der Ulmer Straße verkehrten viele jüdische Kunden, „anständige Leute allesamt“.

Bundesverdienstkreuz, Staufer-Medaille, Ehrenamtspreis des Landkreises, Bürgermedaille: Schälls Wirken wurde vielfach ausgezeichnet. Zu seinem 80. Geburtstag verlieh ihm die Stadt Laupheim die Ehrenbürgerwürde. Besonders gefreut hat ihn auch der Obermayer-Award, für den er, der Nicht-Jude, von emigrierten jüdischen Laupheimern vorgeschlagen wurde.

Roland Ray

Erschienen: 29.10.2010

 

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